Zehn (German Edition)
Jüngeren sprachen in ihre Handys. Miyu liebte die Atmosphäre in dem Studio.
Frau Shu bediente sie. »Welche Freude, Sie zu sehen!« Die ältere Dame lachte und tätschelte ihren Arm. »Sie werden immer dünner!« Frau Shu hatte eine Tochter in ihrem Alter, die einen Italiener geheiratet hatte und in Lecce lebte, ganz im Süden Italiens. Frau Shu vermisste sie sehr.
Miyus Handy vibrierte. Eine SMS von Haruka: »Ich komme um 20 h zu Dir! Keine Ausreden!«
Sie seufzte. Gut. Dann würde sie Haruka heute mit ins »Blondy« nehmen. Normalerweise hätte sie protestiert. Aber heute war etwas anders. Es regte sich kein Widerstand in ihr. Sie fühlte sich weicher. Zarter.
Sie brannte darauf, Haruka alles zu erzählen.
Um fünf vor acht stand ihre Schwester mit geröteten Wangen und dampfenden Gyôza vor ihrer Tür. »Ich habe Tadaski gesagt, dass ich bei dir übernachte! Er hat nicht weiter gefragt.« Sie kicherte. Dann sah sie ihre Schwester an. Haruka war nicht dumm. Sie legte den Kopf schräg und kniff die Augen zusammen: »Es ist was passiert, oder? Du siehst anders aus! Hast du jemanden kennengelernt? Du musst mir alles erzählen!«
Miyu musste lachen. Sie kam sich albern vor. »Miyuuuu! Los, sag schon!« Haruka schmiss ihre Jacke in die Ecke und setzte sich gespannt auf das kleine rosa Sofa.
»Er … ist Polizist … Seiji.« Das war alles, was sie herausbrachte.
»Und?«
Miyu holte eine Schüssel und Stäbchen für die Gyôza. Ihr schwirrte der Kopf. Sie wollte gerne von Seiji erzählen, aber war er wirklich im Café gewesen?
Sie begann Haruka von ihrem Traum zu berichten. Den Törtchen im »Dessert King«, dem Landhaus, dem Mann, der ihr so vertraut war. Dann hatte sie verschlafen. So, wie Seiji verschlafen hatte.
Haruka unterbrach sie: »Vielleicht hat er verschlafen, weil er von dir geträumt hat?«
Miyu musste lachen. Haruka saß aufgeregt mit roten Wangen vor ihr. Miyu liebte ihre Schwester. Sie liebte es, wie sie zuhörte. Sie liebte es, wie Haruka mitfieberte. »Wir müssen gleich los!« Sie packte ein paar Sachen zusammen. Während der U-Bahn-Fahrt hörte sie nicht auf zu erzählen, und Haruka hörte aufmerksam zu. Zum Schluss sagte sie: »Du musst ihn wiedersehen!« Da waren sie bereits in Roppongi. Als sie beim »Blondy« ankamen, stellte Miyu fest, dass sie keine Zeit gehabt hatte, ihre Schwester auf alles vorzubereiten. Sie hätte sie vorbereiten müssen, aufs »Blondy«. Haruka war noch nie in einem Stripclub gewesen.
»Haruka, was du heute Abend siehst, das … ist nur ein Job, okay?«
Doch Haruka hörte ihr kaum zu. Sie überlegte laut, wie und wo Miyu und Seiji sich wiedersehen könnten.
Die Schwestern gingen durch die Hintertür zur Umkleidekabine. Miyu wurde mit großem Hallo begrüßt, und Haruka war stolz auf sie.
Miyu nahm ihre Schwester an der Hand und führte sie in den Club. Es war noch nicht sehr voll. Die Schwester sah sich neugierig um. »Hier verbringst du also deine Wochenenden?« Miyu war sich nicht sicher, ob Haruka missbilligend geklungen hatte. Sie zeigte ihr einen Platz an der Bar, in der Nähe der kleinen Bühne, wo die Mädchen an den Stangen tanzten. Das Mädchen hinter der Theke trug eine Tätowierung am Hals und nannte sich Cindy.
»Pass auf sie auf, das ist meine Schwester!« Miyu klang ein bisschen besorgt.
Cindy versetzte ihr einen Klaps auf den Po: »Na klar, Sweetie! Die fasst keiner an. Und die Drinks gehen aufs Haus!«
Haruka bestellte einen Martini. Sie war gespannt. Miyu ging in den Backstage-Bereich, um sich zu schminken und umzuziehen.
Es wurde jetzt voller. Haruka beobachtete fasziniert die leicht bekleideten Mädchen. Es berührte sie unangenehm. Sie hatte sich die Bar anders vorgestellt. Nicht so dunkel, nicht so viel Haut und sexuelle Spannung.
Cindy fragte: »Warst du schon mal hier?« Haruka schüttelte den Kopf. Die Musik war jetzt sehr laut. Die Bühne wurde von Spotlights beleuchtet. Ein rothaariges Mädchen begann jetzt an der Stange zu tanzen. Sie trug eine schwarze, mit Glitzersteinchen besetzte Maske, die ihr halbes Gesicht bedeckte. Sie schwang ihr langes Haar, schlang die dünnen Schenkel um die Stange und wirbelte herum. Sie sah sehr sexy aus, trug ein knappes Lack-Outfit und Highheels. Haruka zog ihren Rock übers Knie. Ihr war heiß. Der Martini war ihr gleich zu Kopf gestiegen. Dennoch bestellte sie sich einen zweiten.
Die Männer johlten und klatschten, als das
Weitere Kostenlose Bücher