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Zehn (German Edition)

Zehn (German Edition)

Titel: Zehn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franka Potente
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vorsichtig, als könne er die Hitze in seinem Körper so im Zaum halten, ging er ins Hinterzimmer. Auf einen kleinen Block schrieb er: »Florida. Orlando.«  
    Er erhitzte die Suppe. Als er in den Laden zurückkam, lief Fußball im Fernsehen. Er schaltete das Gerät aus.  
    Dann zwang er sich, eine halbe Schale Suppe zu essen. Sein Hals schmerzte, und er musste husten. Es war ganz still im Laden. Still und heiß. Herr Masamori schloss kurz die Augen und überlegte, wie es wäre, sie nie wieder zu öffnen.  
    Er schloss den Laden ab und legte sich ins Bett. »Etwas stimmt nicht mit mir«, dachte er. Seine Augen brannten. Fast schlief er ein. Durch seine halb geschlossenen Lider sah er Andre eintreten. Der Riese bewegte sich lautlos und vorsichtig, als wolle er ihn nicht wecken.  
    Herr Masamori lächelte. Matt hob er die Hand und bedeutete Andre, näher zu kommen. Jetzt erst sah er, dass der Riese sein altes Holzschwert dabeihatte.  
    Andre hockte sich vor das Bett. Er sah den alten Mann sanft an und legte das Schwert unter das Bett. Herr Masamori zitterte leicht. Es war kalt geworden. Er konnte seine Augen kaum noch offen halten.  
    Vorsichtig deckte ihn der Riese zu. Dann fiel der alte Mann in einen tiefen traumlosen Schlaf.  
    Einige Stunden später schrillte das Telefon. Das Kissen war nass von seinem Schweiß. Mit wackeligen Knien stand er auf. Er war sich nicht sicher, welche Tageszeit es war. Akira klang gereizt: »Wieso ist der Laden zu? Bist du da?«  
    »Ich war müde. Was gibt es?«  
    »Wir stehen vor deiner Tür!«  
    Herr Masamori eilte in den Laden und öffnete.  
    Akira und Tamiko standen mit Tekka vor der Tür. »Opa!« Tekka streckte ihm beide Arme entgegen.  
    Tamiko verbeugte sich. »Wir müssen einkaufen, können wir Tekka eine Stunde bei dir lassen?«  
    Herr Masamori nahm die Mochibällchen entgegen, die sie ihm als Geschenk überreichte.  
    »Natürlich!« Er liebte das temperamentvolle Kind. Tekka war schon in den Laden gelaufen.  
    Akira sah ihn prüfend an: »Hast du geschlafen?« Jetzt hupte ein Auto. Akira blockierte mit seinem Jeep die Straße. Eilig verabschiedeten sie sich.  
    Tekka hatte sich die Mochibällchen geschnappt und fütterte damit die Katze.  
    Der alte Mann musste lächeln. »Na, was sollen wir zwei tun?« Er hob das Kind hoch. Tekka war gewachsen, und er spürte, wie wenig Kraft er hatte.  
    »Opa, seit wann hast du einen Fernseher?« Tekka war schon wieder von seinem Schoß gesprungen.  
    »Den hat Herr Ogawa gebracht. Erinnerst du dich an Ogawa-san?«  
    Tekka schaltete das Gerät ein und gleich wieder aus. »Ich will malen!«  
    Herr Masamori holte den zerfledderten Zeichenblock und die Buntstifte aus der Schublade.  
    Er zog den Stuhl an den Tresen, und Tekka fing, auf seinem Schoß sitzend, an zu malen. »Opa, was soll ich malen?«  
    »Erinnerst du dich an die Geschichte der Samurai? Vielleicht malst du einen Samurai?« Fast unbemerkt war Andre ins Zimmer getreten. Er trug wieder nur seine knappen Shorts und war barfuß. Sein massiger Körper bewegte sich lautlos. Wie ein Samurai, dachte der alte Mann.  
    Vorsichtig setzte sich der Riese auf den Boden. Selbst im Sitzen war er so groß, dass sein Schädel weit über den Tresen ragte.  
    Herr Masamori winkte ihm erfreut.  
    Er strich Tekka über das Haar. Das Kind war eifrig damit beschäftigt, einen roten Stift anzuspitzen, und hatte den Riesen nicht bemerkt.  
    »Tekka, das ist mein neuer Freund, Andre-san!«  
    Tekka schaute umher. »Wo, Opa?«  
    Herr Masamori zögerte. »Na, kannst du ihn nicht sehen?« Er sah zum Riesen hinüber, der schüttelte mit einem sanften Lächeln den Kopf.  
    »Nein, Opa. Wo denn?«  
    Der alte Mann überlegte. »Er ist unsichtbar. Andre ist ein Samurai, weißt du. Er kämpft gegen andere Krieger … Er … Nicht jeder kann ihn sehen. Er kommt mich oft besuchen, damit ich nicht so alleine bin.«  
    Tekka schaute nicht hoch. »Ich komm dich auch besuchen!«  
    Herr Masamori lächelte traurig. »Ja, das tust du.«  
    Als Tamiko und Akira eine Stunde später wiederkamen, war Herr Masamori müde.  
    Herr Masamori verbeugte sich: »Es war mir wieder eine Freude. Wann kommt ihr zum O-bon?«  
    Tamiko und Akira schauten sich kurz an. Tamiko verbeugte sich tief und sprach leise in die Verbeugung hinein: »Dieses Jahr werden wir nach Nagasaki fahren. Zu meinen Eltern. Wir haben doch letztes Jahr den Onkel verloren.« Der alte Mann schaute ungläubig seinen Sohn

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