Zehn (German Edition)
keine Kraft zu kosten schien, setzte er den anderen Krieger außer Gefecht.
Wieder und wieder tat er das. Wann immer Hulk Hogan aufstand, packte er ihn wie ein Stück Holz und warf ihn zu Boden.
Herr Masamori schaute mit offenem Mund zu. Was er sah, erinnerte ihn an etwas. Es war eine Geschichte, die tief in seinem Innern verborgen lag, die er nie vergessen hatte. Als Kind hatte sein Vater ihm oft von Samurai erzählt. Den furchtlosen, selbstlosen Kriegern, die für ihren Herrn mit ihrem Leben einstanden.
Diese Herren, die »Daimyô«, gaben ihnen zum Lohn »Koku«, eine festgesetzte Menge Reis. So lebten die Samurai für ihren Herrn und Koku und die Ehre. Wenn sie in Ungnade fielen oder ihr Herr starb, wurden die Samurai zu herrenlosen Rônin, die durch die Lande zogen, auf der Suche nach einem neuen Daimyô.
Er hatte diese noblen Krieger bewundert, ihre Selbstlosigkeit und Furchtlosigkeit verehrt und tat es heute noch. Oft erzählte er seinem Enkel die alten Geschichten.
Herr Masamori erinnerte sich oft an Sonntage bei seinem Großvater. Mit ihm hatte er sich Bilder und Malereien von Samurai angesehen. Der Großvater hatte auf eine kleine Trittleiter steigen müssen, um die großen, schweren Bücher herunterzuholen, die er wie Schätze oben auf einem schweren Schrank aufbewahrte. Ehrfürchtig hatte Herr Masamori die alten Bilder betrachtet, auf denen die Samurai mit ihren imposanten Helmen aus Leder und Metall, die sich wie Hörner eines zornigen Büffels bogen, gegen die Mongolen kämpften. Die ledernen Gesichtsmasken ließen sie zornig aussehen, und er hatte sich als Kind oft ausgemalt, wie er so in den Krieg zog, um seinen Großvater zu verteidigen.
Sein Großvater hatte ihm zum Geburtstag Katana und Wakizashi, die beiden Schwerter und ständigen Begleiter der Samurai, aus Holz gefertigt.
Bis er fast acht Jahre alt war, hatte er mindestens eines immer bei sich getragen. Dafür lachten ihn die Nachbarskinder aus, ihn, den schmächtigen, schüchternen Jungen mit den knochigen Knien und dem Holzschwert.
Die Eltern hatten hart arbeiten müssen. Nach dem großen Erdbeben 1923 war sein Vater oft monatelang in Yokohama gewesen, er arbeitete dort als Bauarbeiter im Straßenbau. Seine Mutter war Näherin und kam oft erst am späten Abend nach Hause. Es gab keine Geschwister, so verbrachte er die Nachmittage entweder allein oder mit den Nachbarskindern auf dem großen Hof vor der Schule. Obwohl er immer der Kleinste und Schwächste war, akzeptierten die anderen ihn irgendwann. Bis der neue Junge ins Viertel zog. Der Junge, der sofort der Anführer wurde, weil er am stärksten war. Der, der sofort bemerkt hatte, dass er der Schwächste war. Rei. Plötzlich ging er mit einem mulmigen Gefühl im Bauch auf die Straße zu den anderen Kindern. Der neue Anführer duldete nicht jeden.
Dann kam der Tag. Zuerst hatten sie ihn geschubst. Sein Holzschwert hielt er ganz fest umklammert und gab keinen Laut von sich. Rei hatte ihn mit einem Zweig geschlagen. Auf seinem nackten Arm zeigte sich ein breiter, roter Striemen. »Bist du ein Rônin? Was bist du?«, hatte er lachend gerufen und auf das Holzschwert gezeigt. Dann schlug er erneut zu. Obwohl er noch ein Kind gewesen war, hatte Herr Masamori plötzlich die Grausamkeit gespürt. Er verstand sie nicht, aber er war ihr ausgeliefert.
Angst hatte er, und Schweiß lief ihm den Rücken herunter. Ein Rônin … nein. Dann nahm er seinen Mut zusammen. Er dachte daran, was wohl ein Samurai tun würde.
Herr Masamori erinnerte sich genau, wie er auf Rei zugegangen war. Sein Herz hatte ihm bis zum Hals geschlagen, während die anderen Kinder lachten und johlten. Er erinnerte sich, wie ihm ein kleiner Fleck auf Reis T-Shirt aufgefallen war, oben am Kragen. Dann hatte er mit dem Holzschwert ausgeholt und zugeschlagen. Rei war mit einem tonlosen Schrei zu Boden gegangen. Sein Ohr blutete heftig. Die anderen Kinder liefen schreiend davon. Plötzlich waren sie allein auf dem Platz vor der Schule, er mit seinem Holzschwert und vor ihm auf den Knien der blutende Rei. Es war ganz still. Er bebte. Angst hatte er nicht. Nicht mehr. Reis Blut tropfte unaufhörlich auf den Asphalt.
Das Gefühl von Stolz und Mut, das er damals empfunden hatte, hatte er nie vergessen.
Rei kam ins Krankenhaus, er blieb auf dem linken Ohr taub.
Man nahm ihm die Holzschwerter ab. Dennoch fühlte er sie unsichtbar immer bei sich. Nie wieder hatte es eines der Kinder gewagt,
Weitere Kostenlose Bücher