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Zehn Jahre nach dem Blitz

Zehn Jahre nach dem Blitz

Titel: Zehn Jahre nach dem Blitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pjhilip K. Dick
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»Einer von Footes Leuten hat es mir erzählt.«
    »Hmm.« Er bemühte sich, ruhig und gleichgültig zu erscheinen. Aber innerlich war ihm scheußlich zumute. Ohne Zweifel kam die Sache – da sie Vorrang vor seiner gewöhnlichen Aufgabe hatte – aus Broses Büro. Und Brose und seine besonderen Projekte hatten etwas an sich, das ihm nicht behagte. Was das allerdings war ...
    »Es ist etwas, das dir vielleicht Freude macht«, erklärte Lindblom. »Hat etwas mit Archäologie zu tun.«
    Adams grinste. »Ich verstehe. Sowjetische Raketen zerstören Karthago.«
    »Und du wirst Hector und Priamus und all diese Knaben aufs Programm bringen. Wirst deinen Sophokles hervorkramen.«
    »Meine Freunde«, intonierte Adams mit gespielter Feierlichkeit, »ich habe schlimme Neuigkeiten für euch, aber wir werden den Schlag überwinden. Die neue sowjetische Rakete vom Typ ICBM Hatcheck Girl A-3 mit C-Sprengkopf hat über ein Gebiet von fünfzig Quadratmeilen um Karthago radioaktives Speisesalz ausgeschüttet, aber das zeigt lediglich ...« Er hielt inne. »Was wurde in Karthago produziert? Vasen?« Wie dem auch sei, das war Lindbloms Aufgabe. Die Darbietung von Tonscherben, aufgenommen mit dem Multifacettensystem der TV-Kameras in Eisenbludts riesigen, ausgeklügelten – mit unendlich vielen Requisiten vollgestopften – Studios in Moskau. »Dies, meine lieben Freunde, ist alles, was davon übrig ist, aber ich habe von General Holt erfahren, daß der Schlag von unserer Seite, der mit Hilfe unserer neuentwickelten, abschreckenden Angriffswaffe, dem Polyphemus X-B Erbsengeschoß, geführt wurde, Verheerung in der Kriegsflotte von Athen angerichtet hat, und mit Gottes Hilfe werden wir ...«
    »Weißt du«, tönte Lindbloms Stimme nachdenklich aus dem winzigen Lautsprecher des Flüglervideos, »du hättest ein verdammt merkwürdiges Gefühl, wenn einer von Broses Leuten das hier mithören würde.«
    Tief unten wand sich ein breiter Fluß wie flüssiges Silber nordsüdwärts, und Joseph Adams beugte sich hinaus, um den Mississippi zu betrachten und seine Schönheit zu bewundern. Das hatten keine Aufbaumannschaften zustande gebracht – was da unten in der Morgensonne glänzte, war ein Bestandteil der alten Schöpfung. Die Urwelt, die nicht wiederaufgebaut werden mußte, weil sie nie verschwunden war. Ebenso wie der Pazifik ernüchterte ihn dieser Anblick immer wieder aufs neue, denn er zeigte, daß sich etwas als stärker erwiesen hatte, daß etwas davongekommen war.
    »Soll er doch mithören«, sagte Adams mit aufbrausender Heftigkeit; er schöpfte Kraft aus dem gewundenen Silberband unter ihm – genügend Kraft, den Hebel des Videogerätes abzuschalten. Nur für den Fall, daß Brose wirklich mithörte.
    Dann erblickte er jenseits des Mississippi einen Komplex von Menschen errichteter, hoch aufragender Bauwerke, und auch sie vermittelten ihm ein seltsames Gefühl. Denn das waren Ozymandias, mächtige Wohnstätten, die der unermüdliche Baumeister Louis Runcible errichtet hatte. Dieses Ein-Mann-Ameisenheer, das auf seinem Zug durch die Landschaft mit zahlreichen Stahlarmen gigantische Gebäude aufstellte, die ganzen Wohnvierteln, einschließlich der Spielplätze, Schwimmbäder, Tischtennisanlagen und Zielscheiben, glichen.
    Ihr werdet die Wahrheit kennen, dachte Adams, und so werdet ihr sie zu Sklaven machen. Oder, wie Yancy es ausdrücken würde: »Liebe amerikanische Mitbürger. Vor mir liegt ein Dokument, das so heilig und bedeutend ist, daß ich euch bitten muß ...« und so weiter. Er spürte bereits Müdigkeit aufsteigen und hatte noch nicht einmal die Fifth Avenue 580 in New York erreicht, sein Arbeitstag hatte noch nicht begonnen. Allein in seiner Domäne am Pazifik, spürte er bei Tag und bei Nacht, wie der kärgliche, verzerrte Nebel der Einsamkeit anwuchs und ihm den Atem nahm; hier, auf dem Flug über die rekonstruierten und die noch-nicht-oh-Herr, aber in-naher-Zukunft rekonstruierten Landstriche – und über die noch-immer-heißen Flecken natürlich, die sich an vielen Stellen wie Bartflechte unter ihm ausbreiteten – fühlte er sich auf unangenehme Weise beschämt. Schuldbewußtsein trieb ihm die Röte ins Gesicht, nicht weil die Rekonstruktion etwas Schlechtes war, sondern weil – es schlecht war, und er wußte, wer und was es war.
    Ich wünschte, es wäre noch eine Rakete übrig, sagte er bei sich. In erreichbarer Nähe. Und wir könnten einen dieser altvertrauten Knöpfe drücken, die der Heeresspitze damals zur

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