Zehn Jahre nach dem Blitz
Gemeinschaftstank des Dritten Weltkrieges namens Tom Mix, der im Jahre 2010 a.D. errichtet worden war. Lange a.D., dachte er, verdammt lange nach Christus.
Was ich wirklich tun sollte, beschloß er, ist, zurückzukommen, und zwar nicht mit einer künstlichen Bauchspeicheldrüse sondern mit der Beutelpest für alle. Für jeden einzelnen von euch.
Seine Verbitterung überraschte ihn. Aber das war natürlich nur oberflächlich. Denn, und das wurde ihm klar, als er das heiße Wasser einschaltete, um sich zu rasieren, die Wahrheit ist, daß ich Angst habe. Ich will mich nicht achtundvierzig Stunden lang in diesem senkrechten Tunnel einschließen lassen und darauf warten, daß Nunes mich von unten erwischt oder daß ein Trupp von Broses bleiernen Polizisten oben das Geräusch meines Spatens hört, oder daß ich, wenn das alles nicht eintrifft, inmitten der radioaktiven Strahlen, des Schutts und des Krieges herauskomme. Hinein in die todbringende Seuche, vor der wir geflohen sind und uns verborgen halten: ich will nicht an die Erdoberfläche, nicht einmal um einer notwendigen Sache willen.
Er verachtete sich selbst für seine Haltung; es fiel ihm schwer, sich im Spiegel in die Augen zu sehen, als er begann, sein Kinn einzuseifen. Es war ihm sogar unmöglich. Daher öffnete er die Tür zu Stus und Edies Quartier und rief: »He, kann ich mir euren elektrischen Rasierapparat ausleihen?«
»Klar«, erwiderte sein jüngerer Bruder und holte ihn hervor.
»Was ist los, Nick?« fragte Edie mit ungewöhnlich teilnahmsvoller Stimme. »Gütiger Himmel, du siehst schrecklich aus.«
»Ich fühle mich auch schrecklich«, entgegnete Nicholas, während er sich auf ihr zerwühltes Bett fallen ließ, um sich zu rasieren. »Es bedarf einiger Kraft«, sagte er, »mich dazu zu bringen, daß ich das Richtige tue.« Ihm war nicht danach zumute, darüber zu sprechen, so rasierte er sich schweigend und in sich gekehrt.
5
Über grüne Landstriche, die Felder, Wiesen und weite Welt der nordamerikanischen Wälder, gelegentlich an unvermuteter Stelle Ansammlungen von Gebäuden und Privatgrund, flog Joseph Adams von seiner Domäne am Pazifik, wo er der Dominus war, zu der Agentur in New York, wo er nur einer unter vielen Yance-Leuten war. Sein Arbeitstag, der ersehnte und endlich erreichte Montag, war angebrochen.
Neben ihm auf dem Sitz lag eine Ledermappe mit den Goldinitialien JWA, in der seine handgeschriebene Rede steckte. Hinter ihm, auf der Rückbank, drängten sich vier Bleierne seines persönlichen Gefolges dicht zusammen.
Unterdessen besprach er mit seinem Mitarbeiter von der Agentur, Verne Lindblom, Geschäftliches. Verne, der nicht zu den Kopfleuten gehörte, der kein Wortfachmann, sondern ein Künstler in visueller Hinsicht war, befand sich im Gegensatz zu Joseph Adams in einer Stellung, die ihn in die Lage versetzte, die Filmpläne und alles, was sich in den Studios ihres Vorgesetzten, Ernest Eisenbludt in Moskau abspielte, informiert zu sein.
»Als nächstes ist San Francisco an der Reihe«, sagte Lindblom. »Ich bin gerade im Begriff, es aufzubauen.«
»In welchem Maßstab?« fragte Adams.
»Kein Maßstab.«
»Lebensgröße?« Adams’ Stimme klang ungläubig. »Hat Brose seine Zustimmung dazu gegeben? Ist das wieder einer von Eisenbludts hirnverbrannten kreativen Anfällen ... ?«
»Nur einen Ausschnitt. Das Villenviertel und eine Ansicht der Bucht. Wird ungefähr einen Monat dauern, es fertigzustellen; das hat keine Eile. Teufel, gestern abend haben sie den Film über Detroit gezeigt.« Lindbloms Stimme klang gelassen. Und als echter Künstler hatte er auch Grund dazu. Kopfleute gab es zu Dutzenden, aber die wahren Handwerker – sie bildeten eine geschlossene Zunft, die selbst Brose mit all seinen Agenten nicht aufzubrechen vermochte. Sie waren wie die Rubinglasschleifer im Frankreich des dreizehnten Jahrhunderts; wenn sie ausstarben, starb ihre Kunst mit ihnen.
»Willst du meine neue Rede hören?«
»Um Gottes willen, nein«, rief Lindblom munter.
»Sie ist handgeschrieben«, erklärte Adams mit gespielter Bescheidenheit. »Ich habe diesem Apparat einen Tritt verpaßt; er hat mich zu sehr in ausgefahrene Geleise gebracht.«
»Hör zu«, sagte Lindblom und wurde plötzlich ernst. »Ich habe ein Gerücht gehört. Du sollst von den Reden entbunden und in einem besonderen Projekt eingesetzt werden. Frag mich nicht, was es ist; das konnte ich meiner Informationsquelle nicht entnehmen.« Dann fügte er hinzu:
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