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Zehn Jahre nach dem Blitz

Zehn Jahre nach dem Blitz

Titel: Zehn Jahre nach dem Blitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pjhilip K. Dick
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verschwunden. Die Menschen hatten eine Waffe geschaffen, die selbstständig denken konnte, und als sie eine Zeitlang nachgedacht hatte, nämlich zwei Jahre, in denen schändliche Verwüstung stattgefunden hatte, in denen die Bleiernen, an Hüften und Schenkeln miteinander verkettet, zwei gewaltige, künstliche Heere von zwei Mächten gebildet hatten ... waren hochentwickelte Typen von Bleiernen, die man im Hinblick auf die Nutzbarmachung ihres analytischen Verstandes für die taktische Planung und schließlich die Gesamtstrategie entwickelt hatte – waren diese hochentwickelten Bleiernen vom Typ X, XI und XII zu dem Schluß gekommen, daß die beste Strategie etwas war, was die Phönizier bereits fünftausend Jahre zuvor erkannt hatten. Es war, wie sich Adams erinnerte, in Mikado zusammengefaßt. Wenn die bloße Behauptung, ein Mensch sei hingerichtet worden, ausreichte, um jedermann zufriedenzustellen, warum es dann nicht einfach behaupten, anstatt es zu tun? Das Problem war – für die hochentwickelten Bleiernen – wirklich so einfach. Sie waren keine Possenreißer aus einer komischen Oper von Gilbert oder Sullivan, und Gilberts Worte waren nicht in ihrem künstlichen Gehirn gespeichert; der Text des Micado war ihnen nicht als Funktionsgrundlage einprogrammiert. Doch sie waren zu demselben Schluß gekommen – und hatten darüber hinaus danach gehandelt, in Zusammenarbeit mit Marschall Harenzany und General Holt.
    Laut sagte Adams: »Aber sie haben den Nutzen nicht erkannt.«
    »Wie bitte?« murmelte Lindblom, noch immer zittrig, noch immer nicht gewillt, sich auf eine weitere Unterhaltung einzulassen; er sah müde aus.
    »Was der Rekonstruktionsrat nicht erkannt hat«, erklärte Adams, »und auch jetzt noch nicht erkennen kann, weil das Wahrnehmungssystem der Bleiernen keine libidinöse Komponente enthält, ist die Tatsache, daß der Leitgedanke, warum jemanden hinrichten ...«
    »Ach, halt den Mund«, sagte Lindblom, machte auf dem Absatz kehrt und verließ Joseph Adams’ Büro. Ließ ihn, doppelt frustriert, die Rede in der Hand, den Gedanken im Sinn, einfach stehen.
    Aber er konnte Lindblom kaum einen Vorwurf daraus machen, daß er aufgebracht war. Denn alle Yance-Leute hatten diese Eigenart. Sie waren egoistisch; sie hatten die Welt auf Kosten der Millionen von Tankern unter der Erde in einen Wildpark verwandelt; es war falsch, und sie wußten es und hatten Schuldgefühle – die Schuldgefühle reichten nicht aus, um Brose abzusetzen und die Tanker heraufzuholen, doch waren sie groß genug, um ihre Abende zu einer niederschmetternden Qual der Einsamkeit und Leere und ihre Nächte unerträglich zu machen. Und sie wußten, wenn von einem Menschen gesagt werden konnte, daß er das begangene Verbrechen wiedergutmachte, den Diebstahl eines ganzen Planeten an seinen rechtmäßigen Besitzern, dann war dieser eine Louis Runcible. Sie zogen einen Nutzen daraus, die Tanker unter der Erde zu halten, und er zog einen Nutzen daraus, sie heraufzulocken. Die Yance-Leute sahen sich in Runcible einem Widersacher gegenüber, einem jedoch, von dem sie, tief in ihrem Innern, wußten, daß er sich moralisch im Recht befand. Es war kein angenehmes Gefühl, jedenfalls nicht für Joseph Adams, der jetzt allein in seinem Büro stand, seine großartige Rede in der Hand, die in den Vac, über den Sim und auf Band eingegeben würde, um dann von Broses Büro verstümmelt zu werden. Diese Rede, sie verkündete nicht die Wahrheit, aber sie war kein Sammelsurium an Gemeinplätzen, Lügen, leeren Phrasen und Beschönigungen ...
    Und andere, bedrohlichere Bestandteile, die Adams in Reden aufgefallen waren, die andere Yance-Leute ersonnen hatten; schließlich war er nur ein Redenschreiber unter vielen.
    Seine begnadete Rede – so jedenfalls schätzte er selbst sie, in Ermangelung einer gegenteiligen Meinung, ein – unterm Arm, verließ er sein Büro und fuhr mit dem Schnellift in das Stockwerk hinunter, in dem Megavac 6-v ratterte; besser gesagt, in die Stockwerke hinunter, in dem Sinne, daß der Gesamtorganismus häufigen Veränderungen ausgesetzt worden war, Verbesserungen, die ihm ganze, neue Bestandteile hinzugefügt hatten, die sich über neue Schichten verbreiteten. Megavac 6-v war von gewaltigen Ausmaßen, wogegen der Sim immer der gleiche geblieben war.
    Zwei uniformierte Kerle, Broses eigenhändig ausgewählte, doch mit ihrer etwas verwöhnten Physiognomie seltsam kraftlos wirkende Rowdys, beäugten ihn, als er aus dem Lift trat.

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