Zehn Jahre nach dem Blitz
diese Menschen hatten keine Pläne, hatten den Tankern keine Hoffnungen zu bieten. Nichts als hygienische, angenehme Gefängnisse auf der Erdoberfläche, anstelle der dunkleren, engeren Verliese unter der Erde. Und Lantano ...
Seine Bleiernen hätten mich getötet, dachte Nicholas. Wenn nicht Talbot Yancy mit einer funktionstüchtigen Waffe auf der Bildfläche erschienen wäre.
An Lantano gewandt, sagte er: »Wie können sie sagen, Yancy sei ein Schwindel. Blair hat das behauptet, alle behaupten es. Sie ebenfalls.«
Lantano sagte mit unergründlichem Blick: »Jeder Herrscher, der je regiert hat ...«
»Das ist etwas anderes«, fiel ihm Nicholas ins Wort. »Und ich bin überzeugt, Sie wissen es. Es geht hier nicht um einen Mann, der im Gegensatz zu seinem Bild in der Öffentlichkeit steht; das ist eine Frage, die, soweit ich weiß, in der Geschichte nie gestellt worden ist. Die Möglichkeit, daß es diesen Mann überhaupt nicht gibt. Und doch habe ich ihn gesehen. Er hat mir das Leben gerettet.« Ich bin heraufgekommen, dachte er, und habe zwei Dinge erfahren: daß es Talbot Yancy nicht gibt, wie wir immer geglaubt haben, und – daß es ihn doch gibt, daß er wirklich genug ist, um zwei eiserne, kampferprobte Bleierne zu vernichten, die, in Ermangelung anderslautender Anweisung durch ihren Herrn, ohne weitere Umstände töten würden. Für die es die natürlichste Sache der Welt ist, ein Teil ihrer Aufgaben, einen Menschen zu töten.
»Ein Teil der Ausstrahlung eines jeden Weltherrschers«, erklärte Lantano, »beruht auf Eigenschaften, die ihm angedichtet werden. Das galt besonders für das vergangene Jahrhundert. Und für die Zeit des Römischen Reiches natürlich. Was für ein Mensch war Nero beispielsweise wirklich? Wir wissen es nicht. Sie wußten es nicht. Und dasselbe gilt für Claudius. War Claudius ein Verrückter oder ein großer, ja heiliger Mensch? Und die Propheten, die religiösen ...«
»Sie werden meine Frage nie beantworten«, sagte Nicholas. Das lag klar auf der Hand.
Isabella Lantano, die mit den beiden Kindern auf einem breiten Sofa aus Schmiedeeisen und Schaumstoff saß, sagte: »Sie haben recht, Mr. St. James, er wird nicht antworten. Aber er weiß die Antwort.« Sie hielt die großen, ausdrucksvollen Augen fest auf ihren Mann gerichtet. Lantano und seine Frau wechselten schweigend einen bedeutungsvollen Blick. Nicholas, der sich ausgeschlossen fühlte, erhob sich und wanderte ziellos im Wohnzimmer mit der hohen Balkendecke auf und ab. Er fühlte sich unerträglich hilflos.
»Nehmen Sie einen Drink«, sagte Lantano. »Tequilla. Wir haben einen ansehnlichen Vorrat aus Mexico/Amecameca mitgebracht.« Er fügte hinzu: »Damals hatte ich den Rekonstruktionsrat angerufen und zu meiner Befriedigung festgestellt, wie gleichgültig seine Mitglieder in Wahrheit sind.«
»Was ist der Rekonstruktionsrat?« fragte Nicholas.
»Der Oberste Gerichtshof dieser unserer einzigen Welt.«
»Warum haben Sie ihn angerufen?« fragte Nicholas. »Um welches Urteil ging es Ihnen?«
Lantano schwieg lange, dann sagte er widerstrebend: »Ein Urteil zu einer sehr theoretischen Frage. Mir ging es um den genauen rechtlichen Status des Beschützers. In bezug auf General Holt und Marschall Harenzany. In bezug auf ...« Er verstummte, weil einer seiner Bleiernen-Dienstboten das Wohnzimmer betreten hatte und sich ehrerbietig näherte. »In bezug auf Stanton Brose«, beendete er seinen Satz. »Was gibt es?« fragte er den Bleiernen.
»Dominus, am Rande des bewachten Geländes ist ein Yance-Mann«, erklärte der Bleierne höflich, »mit seinem Gefolge. Dreißig Bleierne insgesamt; er befindet sich in höchster Aufregung und möchte mit Ihnen sprechen. Er bringt überdies eine Gruppe von Menschen mit, einen, wie er sagt, Foote-Kommandotrupp, der ihn, auf einen Befehl aus Genf hin, vor tatsächlichen oder eingebildeten Gefahren schützen soll. Er erweckt einen verängstigten Eindruck und läßt Ihnen sagen, daß sein bester Freund tot ist, und ›er sei der nächste‹. Seine genauen Worte lauteten: ›Wenn Lantano‹ – er vergaß in seiner Aufregung die erforderliche Höflichkeitsform – ›Wenn Lantano mir nicht helfen kann, bin ich der nächste.‹ Sollen wir ihn einlassen?«
Lantano erklärte, an Nicholas gewandt: »Das müßte ein Yance-Mann namens Joseph Adams aus Nordkalifornien sein. Ein Bewunderer bestimmter Teile meiner Arbeit.« Er dachte einen Augenblick nach, dann befahl er dem Bleiernen: »Sag ihm, er
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