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Zehn Milliarden (German Edition)

Zehn Milliarden (German Edition)

Titel: Zehn Milliarden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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Jedenfalls hat Gino Geschmack, das muss ich ihm lassen.«
    Die Speisen wurden aufgetragen, und sie begannen schweigend zu essen. Nicks Gedanken weilten noch immer im Labor. Die unermüdlich paddelnden Nanoteilchen demonstrierten eindrücklich, dass nun der schwierigste Teil des Projekts ND5 begann. Im nächsten Schritt mussten seine Empfänger- und Senderfunktionen in die Teilchen eingepflanzt werden. Das war schon schwierig genug, doch er und das Team glaubten dennoch genau zu wissen, wie sie vorzugehen hatten. Was danach folgte, stellte hingegen alle bisherigen Aufgaben in den Schatten, und das bereitete ihm seit einiger Zeit zunehmend Kopfzerbrechen. Er legte Messer und Gabel in den noch halbvollen Teller und schaute zu, wie Julies Riesenportion Penne mit Zucchini und Artischocken rasch kleiner wurde.
    »Ist das Steak zäh?«, fragte sie verwundert, bevor sie eine weitere Gabel Pasta in den Mund schob.
    »Doch, ausgezeichnet, aber ich habe meinen Appetit wohl etwas überschätzt.« Sie blickte ihn misstrauisch an. Irgendetwas bedrückte ihn. In den letzten Tagen war ihr aufgefallen, dass er ungewöhnlich einsilbig geworden war. Sie legte das Besteck weg und schaute ihm in die Augen.
    »Sag schon, du hast etwas auf dem Herzen, das spüre ich doch.«
    »Das Projekt«, begann er zögernd. »Ich mache mir Sorgen, wie es weitergehen soll.«
    »Jetzt, wo wir unsere Bots beinahe vollständig gebaut haben?«, fragte sie erstaunt.
    »Gerade jetzt. Wir verfügen zwar in Kürze über Bio-Nanobots mit eigenem Antrieb und unabhängiger Energieversorgung, aber ich habe, ehrlich gesagt, noch keine genaue Vorstellung, wie wir die Teilchen auf bestimmte Ziele programmieren sollen, wie sie schließlich die Krebszellen finden sollen. Die Navigation ist ein einziges großes Rätsel.«
    »In unserem Konzept sind doch verschiedene Varianten aufgeführt«, widersprach sie. »Wir wissen doch zum Beispiel, dass sich Nanogoldteilchen etwa sechshundert Mal stärker in Krebszellen konzentrieren als in normalen Zellen. Die werden geradezu angezogen von kranken Zellen.«
    »Das ist schon klar, aber vergiss nicht, dass wir erstens kein anorganisches Material verwenden und zweitens bestimmte Zelltypen spezifisch aktiv ansteuern wollen.«
    »Aber - das Konzept ...«
    »Vergiss das Konzept. Papier ist geduldig, das weißt du auch. Ich gebe zu, wir haben ein wenig geflunkert, um das Funding so rasch wie möglich locker zu machen. Das Konzept ist Spekulation, jetzt müssen wir liefern. Das ist das Problem.« Julie hatte ihn längst verstanden, und sie war ebenso ratlos. Eine Weile betrachtete sie das Treiben im Lokal mit leerem Blick. Gino kam mit besorgtem Gesichtsausdruck an den Tisch, erkundigte sich wortreich, ob Nick das Essen nicht geschmeckt habe und räumte ab. Er war höchst verunsichert. Julie legte plötzlich ihre Hand auf seine.
    »Ich glaube, du brauchst eine Auszeit«, sagte sie mit einem warmen Lächeln. »Warum fahren wir nicht ein paar Tage weg, irgendwohin, in eine andere Umgebung.« Er war erst unschlüssig, doch dann drückte er ihre schlanke Hand sanft und antwortete leise:
    »Du hast völlig recht. Eine Luftveränderung hilft vielleicht beim Seitwärtsdenken - wäre nicht das erste Mal bei mir. Und ich weiß auch schon wo.«
     
    Es war schon ein anderes Fahrgefühl in Julies BMW als in seiner gelben Kutsche, musste Nick sich eingestehen. Sie brausten mit offenem Verdeck auf dem Napa Vallejo Highway nach Norden; Julie mit neckisch flatterndem weißem Kopftuch am Steuer, er entspannt zurückgelehnt mit der Nase im Wind auf dem Beifahrersitz. Sie waren auf dem Weg zu seiner Cousine Ann, die ein Häuschen mitten in der Weinhochburg Napa bewohnte. Ann Crawford war eine ganze Generation älter als er, alleinstehend, geschieden, und ein Original. Er hatte sie schon lange nicht mehr besucht, was sie ihm mit Sicherheit gesalzen und gepfeffert unter die Nase reiben würde. Einige Zeit mit ihr zu verbringen war genau das Richtige, um sein Hirn durchzulüften, wie er hoffte.
    »Hallo, ist da jemand? Ich hab dich was gefragt«, sagte Julie etwas lauter.
    »Was - entschuldige. Was wolltest du wissen?«
    »Ob du ihr von mir erzählt hast.«
    »Klar, aber sie hat mir kein Wort geglaubt am Telefon.«
    »Wieso denn das?«
    »Für sie bin ich immer noch der schüchterne, bleiche Student, der nie ein Mädchen finden wird«, lachte er. Ann, der alte Haudegen, hatte es ihm allerdings einmal in wesentlich deutlicheren Worten zu verstehen gegeben:

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