Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zehn Milliarden (German Edition)

Zehn Milliarden (German Edition)

Titel: Zehn Milliarden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
Vom Netzwerk:
auf die Wange, bevor er unschlüssig antwortete:
    »Vielleicht schon.« Sie sah ihn überrascht an. »Mir geht eine von Vics Arbeiten über die Spezialisierung von Zellen nicht mehr aus dem Kopf. Vielleicht ist das der Schlüssel, den wir suchen. Wir haben dieses Papier in unsere Referenzliste aufgenommen, erinnerst du dich?« Sie nickte.
    »Ja, ich habe die Arbeit gelesen. Du könntest recht haben, aber ich muss gestehen, dass ich damals nicht alles begriffen habe. Warum fragen wir ihn nicht?«
    »Weil er wohl nicht antworten würde, oder könnte.« Er zögerte, bevor er über seinen Vorschlag sprach, der längst zum festen Entschluss gereift war. »Aber ich muss ihn zum reden bringen. Ich sehe nur eine Möglichkeit, wie wir hier weiter kommen, ohne Zeit zu verlieren. Ich werde mit den Unterlagen zu Vic in die Südsee reisen. Ich muss es einfach versuchen, Julie.« Sie sagte lange kein Wort, bis sie schließlich nickte und leise antwortete:
    »Es ist wohl das Beste.«
    Als sie sich gegen Abend verabschiedeten, nahm Ann ihren jungen Cousin kurz beiseite und sagte in eindringlichem Ton:
    »Nick, was auch immer geschehen mag, trag Sorge zu deiner Julie. Sie ist ein braves Mädchen. Ich habe es in ihren Augen gesehen.« Wem sagst du das , dachte er verwundert und stieg in den Wagen.
     
17°31'07.42"S 149°54'42.88"W
     
    Nick warf einen Blick auf den Bildschirm des Navigationsgeräts. Die Abzweigung müsste jetzt eigentlich auf der linken Seite auftauchen, doch da war seit einem Kilometer nichts als Wald. Er fuhr mit seinem gemieteten roten Minijeep langsam der Küstenstraße entlang gegen Nordwesten, auf der Suche nach dem Punkt auf der Südseeinsel Moorea, den Vic als seine geheime Adresse bezeichnet hatte. Auf dem über achtstündigen Flug von Los Angeles nach Papeete auf Tahiti waren ihm nach und nach erhebliche Zweifel gekommen, ob er Vic überhaupt hier finden würde. Was, wenn der sich einen schlechten Scherz erlaubt hätte und sich in Wirklichkeit in Südfrankreich auf dem Golfplatz vergnügte? Zweifel, die sich jetzt noch heftiger zurück meldeten, als er kein Anzeichen einer Abzweigung durch den Waldstreifen zur Küste entdeckte. Die Koordinaten, die Vic angegeben hatte, zeigten auf einen Punkt an einer Lagune, keine fünfhundert Meter entfernt, wie er vermutete. Er wendete vorsichtig auf der engen Straße, fuhr ein Stück zurück und parkte in einer Nische zwischen den hohen Palmen, die wohl als eine Art Rastplatz diente. Wenn sein GPS-Gerät korrekt funktionierte, musste der gesuchte Punkt von hier aus genau westlich am Wasser liegen.
    Er packte seinen Rucksack, stieg aus und trat mit flauem Gefühl im Magen ins Unterholz. Weit und breit war kein Weg zu sehen, also kämpfte er sich durchs dichte Gestrüpp, das hier glücklicherweise fast ausschließlich aus biegsamen Farnen bestand. Ein betörender Duft erfüllte die warme Luft. Das mussten die Tiare-Blüten sein, von denen er gelesen hatte, vielleicht aber auch die Hibiskus- oder Bougainvilleasträucher, er wusste es nicht, es kümmerte ihn nicht. Er wollte nur die Küste so schnell wie möglich erreichen, musste endlich Gewissheit haben, dass er sich nicht getäuscht hatte. Ins Summen der Insekten mischte sich das Plätschern von Wasser und das Kreischen einzelner Möwen oder Tölpel. Bald darauf trat er auf feinen weißen Sand. Vor seinen Augen öffnete sich das atemberaubende Panorama der schönsten Bucht, die er je gesehen hatte. Beschützt von hohen Kokospalmen, deren Kronen sich im lauen Wind wiegten, kräuselten sich die sanften Wellen des türkisblauen Wassers am makellosen Sandstrand. Über allem lachte ein pastellblauer Himmel, gespickt mit blendend weißen Schäfchenwolken. Keine zwanzig Meter entfernt stand eine Hütte im Schatten einer Baumgruppe, ein Holzschuppen mit Wellblechdach und wenigen schmalen Fenstern. Was ihn aber sofort fesselte, war das rot-weiße Flugzeug, das im glasklaren Wasser über dem sandigen Meeresgrund zu schweben schien. In großen Lettern stand darauf zu lesen: Emily 2. Nick war an seinem Ziel angekommen.
    Er setzte sich erst einmal auf den Boden und überlegte, denn absorbiert durch die hektische Abreise und die Suche hatte er noch keinen Gedanken darauf verschwendet, wie er seinem Freund nach all der Zeit im selbst gewählten Exil begegnen sollte. Er hoffte inständig, dass ihm Vic den Überfall auf sein Paradies nicht übel nehmen würde. Er wollte keinesfalls unverrichteter Dinge wieder abziehen. Immer noch

Weitere Kostenlose Bücher