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Zehn Milliarden (German Edition)

Zehn Milliarden (German Edition)

Titel: Zehn Milliarden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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bemerkte Nick.
    »Immer noch das letzte Wort, wie?«, brummte Armand, dann wandte er sich an Emily und sagte schmunzelnd: »Damals wollte er mir sogar weismachen, dass der Mensch nichts anderes sei als eine komplizierte Maschine. Ob er das heute noch glaubt?« Nick warf seiner Schwester einen Blick zu, der sagen sollte: siehst du, immer noch der alte Weise .
    »Ich glaube gar nichts, aber bis heute habe ich keinen Grund zur Annahme, dass dies nicht so sei. Im Gegenteil, alles deutet darauf hin, dass Descartes mit seinem Dualitätsprinzip völlig falsch liegt.« Nick erwartete, dass Armand nun vollends auf Touren käme, denn er war ein glühender Verfechter der Vorstellung, dass es einen von der Materie unabhängigen Geist gab, so wie sie der Philosoph und Mathematiker René Descartes im 17. Jahrhundert ausführlich studiert und beschrieben hatte. Der Turmwächter jedoch lächelte nur hintergründig und sagte:
    »Wir wollen doch die Dame nicht mit unseren Streitereien langweilen. Jedenfalls werde ich meine Meinung erst ändern, wenn Sie mir eine Maschine zeigen, die über meine Witze lacht.« Nick hatte nicht zuviel versprochen: die Zeit, die sie mit dem Wächter auf dem Turm der Kathedrale verbrachten, empfand Emily als wohltuende, belebende Seelenmassage. Sie fühlte sich zum ersten Mal seit langem wieder leicht und frei, gewappnet für den nächsten Lebensabschnitt, was immer er für sie bereithalten mochte.
    Als sie in die Garage der elterlichen Villa fuhren, fiel ihr auf, dass ein Wagen vor dem Haus stand, den sie vorher nicht gesehen hatte. Im Salon brannte noch Licht und sie hörte Stimmen. Als sie verwundert um die Ecke spähte, sah sie ihre Mutter angeregt und zufrieden lächelnd mit ihrem Vater plaudern. Die beiden hatten sie und Nick nicht gehört, und sie wollte jetzt auf keinen Fall stören. Glücklich und todmüde stieg sie die Treppe hinauf in ihr Zimmer.
    Nick lag auf seinem Bett und wählte Julies Nummer, so wie an jedem Abend.
    »Nick, Liebster, gut, dass du anrufst«, platzte sie heraus.
    »Ja, ich vermisse dich auch.«
    »Nein ich meine, natürlich - auch«, stammelte sie.
    »Langsam, Schatz, alles der Reihe nach. Was ist denn los? Gibt es Probleme?«
    »Nein, sorry, ich bin nur noch etwas aufgeregt.«
    »Das ist nicht zu überhören«, bemerkte er amüsiert.
    »Ich war gerade beim Boss. Durch unseren Erfolg mit ND5 haben wir einen äußerst lukrativen Folgeauftrag an Land gezogen. Wir sollen Mensch-Maschine Schnittstellen entwickeln, zum Beispiel direkt hirngesteuerte Prothesen, aber auch echte Interaktion und hybride Erweiterungen des Zerebralkortex. Alles nach dem Motto: Geld spielt keine Rolle.« Auf seinem Gesicht erschien ein breites Grinsen. Ganz nach meinem Geschmack , dachte er. Er spürte wieder einmal, wie sich einzelne Bruchstücke des Wissens aus verschiedenen Disziplinen zu einem Bild zu formen begannen, als ob nun die Zeit für etwas Grosses reif wäre. Das nächste Ziel seiner Forschungsarbeit nahm deutliche Konturen an, auch wenn der Weg dorthin noch kaum zu sehen war. Selbst das erst vor einigen Tagen erworbene Wissen aus seiner Alma Mater am Genfersee war nichts anderes als ein weiterer logischer Baustein. Julie räusperte sich. »Nun, was sagst du?«
    »Ich bin sprachlos, wie du hörst. Die Vorstellung gefällt mir, muss ich sagen. Ich bin dabei.«
    »Es gibt nur einen kleinen Haken ...«, begann sie zögernd.
    »Oh, jetzt kommt’s. Was denn?«
    »Der Auftrag kommt von IARPA.«
    »Den Militärköpfen?«, fuhr er auf.
    »Nicht so schlimm. Die sind unabhängig von der Army. Hier geht es nicht um Waffentechnologie, wenn du das meinst.« Er war nicht überzeugt, doch der Auftrag reizte ihn zu sehr, und er war bereit, notfalls ein Auge zuzudrücken. Sie räusperte sich nochmals und sagte leise: »Da ist noch etwas: die Arbeiten finden in Washington statt.«
College Park, Maryland
     
    Washington war nicht Kalifornien, diese Binsenweisheit wurde Nick erst jetzt, kurz vor dem Einwintern, richtig bewusst. Draußen pfiff ein steifer, eisiger Wind um die Häuser, schwarze Regenwolken hingen wie nasser Trauerflor am düsteren Himmel, und bald würde der erste Schnee den Verkehr lahmlegen. Während der ersten Wochen in der neuen Umgebung in College Park hatte Nick kaum einen Blick aus dem Fenster geworfen. Er und sein Team, zu dem nun auch Julie gehörte, wollten die notwendigen und zum größten Teil unproduktiven Arbeiten der Anlaufphase des Projekts ›Alex‹ so schnell wie möglich

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