Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen
verfolgen, und Saulus ist viele Tage blind, bis Gott den Ananias zu ihm schickt. Und Ananias kommt zu ihm und macht ihn wieder sehend. Und aus Saulus ist Paulus geworden. Der Christenverfolger wird zur rechten Hand des Herrn. Halleluja! Und er hat sogar einen großen Teil dieses Buches geschrieben!« Er hält die schwarze Bibel in die Höhe. »Er schrieb einen großen Teil von der Heiligen Schrift, dem Buch der Bücher, dem Wort Gottes. Er ward erlöst. Er wurde ein heiliger Mann. Ein Heiliger. Halleluja!«
»Halleluja!«, wiederhole ich. Ganz unironisch. Das muss das Bier sein.
9. TORTUR
Das Beste am Krieg war es, draußen zu schlafen. Im Dinarischen Gebirge. Der Kuckuck war unser Wecker. Ich habe ihn nie gesehen, aber er weckte uns immer vor der Dämmerung auf, denn das Land war auf unserer Seite. Die Serben schliefen noch, hinter diesem und dem nächsten Hügel. Die faulen Säcke. Fingen nie vor acht Uhr an zu schießen. Wir hätten ihnen dankbar sein sollen für diese schönen Morgenstunden. Stille Morgenstunden mit dem besten Frühstück der Welt: Holzfällerkaffee und Povitica-Brot. Wir aßen schweigend und sahen zu, wie die ersten Sonnenstrahlen die nachtkalte Butter wärmten.
Eines Morgens fing Andro, der verrückte Junge aus Pula, plötzlich an, über den Morgentau zu reden. Nach einer Weile begann er zu schreien: »Wir kämpfen um Tau! Wir dürfen diesen Tau nicht in die Hände der Serben fallen lassen! Wir wollen noch mehr Tau! Das ist echt ein super Krieg! Um Tau.« Dann sprang er auf, lief auf dem Hügel herum und zeigte auf vom Tau feuchte Flecken. »Kroatischer Tau! Serbischer Tau! Neutraler Tau!«
Unser Leutnant Javor zog seine Pistole und schoss ihm in den Hinterkopf. Andro fiel ins Gras wie ein totes Kalb.
»Jetzt kannst du ihn trinken, du Vollidiot, du Sohn der hässlichsten Nutte von Pula!«, stieß der lavagesichtige Javor hervor.
Piti rosu, Tau trinken, wurde bei uns zum geflügelten Wort für das Sterben. Mir tat Andro ein bisschen leid. In unserer Einheit war ich wohl der, der seine Verrücktheit am meisten tolerierte, was einen bestimmten Grund hatte.
Er war ein fanatischer Madonna-Fan, er hatte sogar sein Gewehr nach ihr benannt. Bei den absurdesten Gelegenheiten konnte es passieren, dass er anfing zu singen. »I'm a virgin!«, kreischte er dann mit seiner Morrissey-Stimme. Er hatte immer ein kleines Kruzifix bei sich. Das Kreuz war braun und kaum von den Tarnfarben seiner Uniform zu unterscheiden. Der Jesus hingegen war weiß, ragte mit ausgebreiteten Armen aus seiner Brusttasche heraus wie ein Präsident, der von einem Balkon eine Ansprache hält: »Hey Jungs, hört mal her!« Vielleicht hat Andro ihm zu gut zugehört. Manchmal begann er nämlich über die Sinnlosigkeit des Krieges zu philosophieren - nicht gerade das, was ein Soldat gerne hört. Außerdem tat er manchmal so verrückte Sachen wie nackt über die Kampflinie und wieder zurück zu laufen oder Reden über den Tau zu schwingen, was besser in ein Hippie-Ballett gepasst hätte als zum Frühstück einer Kompanie junger Männer, die bereit waren, für ihr Vaterland zu sterben. Javor tat gut daran, ihn umzubringen.
Andro und ich hatten einmal eine ganze Nacht miteinander verbracht, wir tranken und sangen unter freiem Himmel. Wir hatten unsere Einheit verloren, all unsere Munition verschossen, da stießen wir auf einen ausgebrannten Tschetnik-Panzer. Drinnen fanden wir eine Flasche rakjia, die uns in Singlaune brachte. Es war das Dümmste, was wir hätten tun können, denn wir sangen kroatische Lieder mitten in der »serbischen« Nacht. Jeden Moment hätten wir eine Kugel abbekommen können. (Im Krieg zu sein ist wie russisches Roulette rund um die Uhr. Jeder Atemzug kann dein letzter sein. Ein furchtbarer Gedanke, der irgendwann zu einem aufregenden wird; man wird süchtig nach der Gefahr und fängt sogar an, mit ihr zu spielen.) Aber wir waren jung und furchtlos und hatten genug von all dem Morden - es war uns scheißegal.
Zum Glück sangen wir gerade das jugoslawische Gewinner-Lied vom Eurovision Song Contest 1989, als ein komplett besoffener serbischer Soldat in voller Kampfmontur vor uns auftauchte und fragte, ob er sich zu uns setzen könne. Ob wir noch was zu trinken hätten. Offensichtlich dachte er, wir wären Landsleute, schließlich saßen wir ja auf einem serbischen Panzer und sangen ein jugoslawisches Lied. Doch nach dem ersten Schluck bemerkte er das Hrvatsfea-Wappen auf unseren Uniformen und wusste, dass
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