Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen
Foto in der Zeitung steht, die durch den Briefschlitz geschmissen wurde. Die Schlagzeile lautet: Mafíumorðingi á Islandi? Klingt wie Mafia-Irgendwas-Island. Das Fragezeichen macht mir Hoffnung. Father Friendly wird erwähnt und Gutmunduhrs Bibelsender, dann ein kleines Zitat des Predigers. Ich stelle mir sein Lama-Gesicht mit den aufgerissenen Augen auf dem haarigen Hals vor, während er mit dem Reporter spricht: »Wir sind schockiert. Wir hatten nicht den geringsten Verdacht.
Er war so freundlich. Wir können froh sein, dass wir noch am Leben sind.«
Igors Name wird nicht erwähnt. Er ist meine letzte Hoffnung.
Ich versuche Munita zu Hause anzurufen, von Maacks Telefon. Ich weiß, dass das nicht das Schlaueste ist, aber ich kann nicht anders. Ich muss mit ihr reden. Dann rufe ich sie auf dem Handy an und erreiche ihre Mailbox: »Hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem Piep.« Man muss diese Stimme einfach lieben. Diese weiche, ölige, haarige Welt, in der man am liebsten sein ganzes Leben verbringen möchte. Sogar die Fehler, die sie im Englischen macht, sind sexy. Sie ruft nicht zurück. Ich hoffe, es geht ihr gut. Gewaltsame Tode liegen bei ihr in der Familie.
Ich nehme ein langes, heißes Bad in der größten Wanne östlich von Las Vegas, lasse meine Wampe fünfzig Minuten von Blasen umblubbern, dann mache ich einen Nacktspaziergang durch das Haus mit einem kalten Bier und genieße es so gut wie möglich, aus Raum und Zeit gefallen zu sein. Ich lebe in einem leeren Haus. Ich bin das Nichts, das zu Hause ist. Es gibt mich nicht. Ich bin nur eine unsichtbare Kraft, die eine kleine grüne Heineken-Dose durch dieses große Haus bewegt und langsam ihren Inhalt austrinkt.
Als ich wieder ins Badezimmer gehe, bin ich unangenehm überrascht von dem Spiegelbild meines Gesichts. Für einen Sekundenbruchteil denke ich, es ist Father Friendly. Ich erinnere mich an unseren kurzen Blickkontakt im Spiegel am JFK. Mein Herz setzt einen Schlag aus. Mr. Friendly ist so hartnäckig wie ein gedopter Deckhengst. Er gibt einfach nicht auf. Immer wieder ruft er aus seinem Grab nach mir wie ein nörgeliger Rentner, der sich über seinen Sarg beschwert. Letzte Nacht habe ich sogar von ihm geträumt. Bei irgendeiner Freiluft-Veranstaltung mit langen weißen Gewändern unter hohen grünen Bäumen ist er zu mir gekommen und hat mich auf die Stirn geküsst. Seine Lippen fühlten sich groß, dick und warm an. Als ob er ein Schwarzer wäre. Und als er sich wieder entfernte, sah er auch wirklich aus wie Louis Armstrong, der gute alte Mann mit der Trompete.
Ich kapiere es nicht. All die Schweine habe ich ohne die leisesten Gewissensbisse abgeknallt, und jetzt auf einmal: Ein glatzköpfiger Pastor, der auf einer Flughafentoilette ums Leben kam, folgt mir wie ein verliebtes schwachsinniges Mädchen. Vielleicht war er nicht nur ein Kirchenmann, sondern wirklich ein Heiliger? Wie Louis Armstrong.
Das Bier bringt mein Hirn ins Schwimmen, es schwimmt in meinem Kopf herum wie ein Wal in einem zu kleinen Aquarium und bringt mich ganz durcheinander. Ich sehe mich im Spiegel an. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich das gar nicht bin. Ich sehe eine Matrjoschka-Puppe mit dem Gesicht eines amerikanischen Fernsehpredigers. In ihm drin ist der charmante polnische Anstreicher Tadeusz Boksiwic. Darin wiederum der russische Waffenschmuggler Igor Illitsch. In ihm: Toxic, der Killer. Und in dem: der frisch in die USA eingewanderte Tom Boksic. Und dann endlich, in ihm drin, ist Tomo, der kleine Junge aus Split in Kroatien.
Doch anstatt mich von der Vielzahl meiner Identitäten deprimieren zu lassen, füge ich noch eine hölzerne Puppe hinzu: Ich verlasse das Haus als der erfolgreiche Geschäftsmann Mr. Maack. Ich trage einen langen, hellbraunen Wintermantel, einen dunkelgrauen Hut und roten Schal, Schuhe von Lloyds aus London und als Krönung einen Aktenkoffer aus Leder mit meinen russischen Turnschuhen und sauberer Unterwäsche darin. Ich muss ziemlich lächerlich aussehen, wie ein adeliger Berufskiller auf dem Weg zu einem abendlichen Auftrag.
Ich versuche, wie ein älterer Geschäftsmann zu gehen, aufrecht, den Bauch selbstbewusst herausgestreckt. Ein Mann, der alle Erfolge hinter sich hat und nun die Siegesparade abhält. Als ob er seine Füße gar nicht selbst bewegen muss, sondern von den immerfort steigenden Renditen seiner Investments angeschoben würde. Was bedeutet, dass ich eher langsam den Bürgersteig der Schnellstraße entlanggehe. Ich
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