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Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen

Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen

Titel: Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hallgrimur Helgason
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Kommt nur zum Schlafen nach Hause«, erzählt seine Schwester mir. Der perfekte Mitbewohner. Er ist Kranführer auf einer Baustelle. »Er redet nicht viel, oder?«, frage ich.
    »Ja, ich weiß. Er war schon immer so. Und dann sein Beruf... Er ist den ganzen Tag da oben in der Luft, allein, 60 Meter über dem Boden. Und seine Kollegen sind fast alle aus Polen oder Litauen.«
    Sobald ihr Bruder wieder in der Luft ist, darf ich runter, auf einen Toilettenbesuch und zum Frühstück. So macht die Verbannung richtig Spaß, denn nun fühle ich mich wie ein echter Outlaw. Ein Killer, der sich auf dem Dachboden einer heißen Blondine versteckt. Am besten gefällt mir, dass ich mich nicht mehr verstellen muss. Keine blöden amerikanischen Priester oder polnische Anstreicher mehr. Obwohl ich das Haus nicht verlassen kann, fühle ich mich hier freier als mit einem Priesterhalsband an Gottes Hundeleine draußen auf der Straße.
    Ich bin Anne Frank 2.0. Gunholder leiht mir ihren Laptop, und ich kann durch die digitalen Weiten surfen. Ich verbringe die Tage damit, in meiner Vergangenheit rumzuwühlen, und lese Kriegsgeschichten meiner Kameraden. Darko Radović ist der aktivste Blogger von allen, wahrscheinlich weil er beide Beine in Knin gelassen hat. In unserer Einheit haben wir fünf Leben verloren, sechs Beine, drei Arme und ein paar Finger. Es ist traurig, aber wahr: Meine einbeinigen Kameraden müssen noch immer um ihr Leben kämpfen. Man kann sie auf Krücken durch Zagreb oder Split humpeln sehen, wie sie darum betteln, dass man eine Kuna in ihren Becher wirft. Unser Staat hat sie vergessen, obwohl er auf ihren toten Beinen steht. Ich hatte das Glück, keine Gliedmaßen an die Tschetniks zu verlieren, doch manchmal frage ich mich, ob ich lieber beide Beine verloren hätte, statt Vater und Bruder. Der Krieg stellt Fragen, auf die der Frieden keine Antwort hat. Deswegen gibt es immer wieder neuen Krieg.
    Auf Darkos Blog finde ich ein Foto von mir in voller Kampfmontur, ein lächelnder Verrückter mit einem AK-47 auf einem ausgebrannten serbischen Panzer im Jahr '95. Das glückliche Gesicht eines talentierten Mörderlehrlings. Ich sehe total bekloppt aus. Ich habe solche Schnappschüsse immer gehasst. Habe es gehasst, mit so einem blöden amerikanischen Honigkuchenpferd-Grinsen der Zukunft ins Auge sehen zu müssen, die mich doch nur für einen ahnungslosen Irren halten kann. Für jemanden, der nichts vom Leben weiß, zwei oder drei Leute umgebracht hat, und trotzdem lächelt, als hätte er gerade eine Medaille bei Olympia gewonnen.
    Ich bevorzuge Polizeifotos.
    Dann suche ich nach Senka, meiner Exfreundin, dem fehlenden Kapitel meines Lebens. Seit Kriegsende habe ich immer wieder versucht, sie ausfindig zu machen - ohne Erfolg. Ich schulde ihr eine kleine oprosti.
    Gunholder fängt um zehn an zu arbeiten. »Bis später«, sagt sie und verabschiedet mich mit einem Lächeln, das mich warmhält, bis sie wiederkommt. Meine kleine süße Eiswürfelmaschine. Die Schlampe meiner Träume. Meine schöne Gefängniswärterin. Sie hat zwei Jobs. Am Nachmittag arbeitet sie für ein Musikfestival namens Airways oder Airwaves und macht so Sekretärinnenarbeit. Sie ist auf du und du mit einer Menge weltberühmter Popstars, von denen man noch nie etwas gehört hat.
    »Hat Creed hier schon mal gespielt?«
    »Greed?«
    Das klappt nie mit uns.
    Normalerweise kommt sie zwischen sieben und acht nach Hause, immer mit etwas zu essen, meistens etwas Thailändisches oder Chinesisches. Nach dem Abendessen legt sie bizarre isländische Musik auf, um mich für Mugison, Gus Gus oder die wie Schwarze klingenden Lay Low zu begeistern. Ich sage ihr, dass ich viel für die Promo der isländischen Popmusik tun könnte, wenn sie mir eine Waffe besorgen würde. Ihr Lachen klingt leicht beleidigt. Aber ihre Neugier ist erwacht. Ich sehe ihr beim Rauchen zu, während sie so viele Fragen stellt wie eine Praktikantin im Oval Office.
    »Wenn manche deiner Opfer zu anderen »Organisationen« gehören, müssen sie doch auch versucht haben, dich umzubringen, oder?«
    Na, klar. Sie ist fasziniert von meinem Job. Endlich habe ich einen Fan.
    »Und erinnerst du dich an alle, also, deine Opfer?« »Die professionellen, ja.« »Aber nicht die aus dem Krieg?«
    »Nein. Die aus dem Krieg sind alle verschwommen, aber ich bin sehr zufrieden mit meinen Auftragskiller-Arbeiten. Ich versuche immer, meinen Job gut zu machen. >Das Opfer ist König«, ist mein Motto. Ich versuche, es

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