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Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen

Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen

Titel: Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hallgrimur Helgason
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dem Zahnarzt zu reden, wenn man den Mund voller Finger hat.
    »Wo?«
    »Audo ...«, stammele ich durch die geschwollenen Lippen.
    »Oh. Ein Autounfall? Wie furchtbar. Wir müssen zum Arzt... ins Krankenhaus.«
    »Aber erst müssen wir die Blutung stoppen. So können wir nicht mit ihm ins Auto«, sagt Zickrita wie eine erfahrene Krankenschwester, während sie meine Stirn vorsichtig mit einem kleinen Handtuch abtupft.
    »Nee«, protestiere ich. »Gei Grankenau.«
    »Kein Krankenhaus? Warum nicht? Es ist sehr sauber. Wir haben ein gutes Gesundheitssystem. Das beste in der Welt. Oder ... verstößt das gegen die Regeln deiner Kirche?«, fragt Gutmunduhr und hebt die Augenbrauen.
    »Dir ist schon klar, dass er NICHT MEHR Father Friendly ist, oder? Er hat Father Friendly UMGEBRACHT. Er ist ein MÖRDER«, sagt seine Frau mit dem Gesicht von Margaret Thatcher und den Händen von Florence Nightingale.
    Ihr begriffsstutziger Ehemann zögert einen Moment.
    »Ach ja, du bist ein Verbrecher. Dann müssen wir auch noch zur Polizei«, sagt er.
    Ich wende mich von Zickrita und ihrem Handtuch ab und sehe meinen Richter an.
    »Bitte. Ihr müsst mich retten.«
    Er sieht mich an, dann seine Frau, dann wieder mich. Sein Gesicht ist ein einziges Fragezeichen. Da lege ich meinen hässlichen Kopf an seine Brust (ich höre, wie das pinkfarbene Hemd und die blaue Krawatte aufschreien), schlinge meine Arme um ihn. Er tut einen Schritt zurück, aber ich lasse nicht los, halte ihn nur noch fester.
    »Bitte«, jammere ich in seine Eingeweide und vergesse für einen Moment meinen Schmerz. »Die bringen mich um ...«
    Ich spüre, wie das Ehepaar bedeutungsvolle Blicke tauscht. Zwei Soldaten des Lichts beraten über das Schicksal eines besiegten Feindes. Eine Zeitlang sprechen sie isländisch. Ich mache MWA, klammere mich an den Körper des Priesters wie ein neugeborener Affe an seine Mutter. Ich sehe zwei mit Blut vermischte Tränen auf den Boden tropfen. Jede formt einen kleinen Teich auf den weißen Fliesen, kristallklare Teiche, durch die sich blutrote Spuren ziehen wie winzige Peitschen.
    Ohne mich über eine Entscheidung zu informieren, verbinden sie mich wie eine Mumie, dann bringen sie mich nach oben in mein altes Bett. Zickrita legt ein kühles Tuch auf meine Nase. Dann sagt sie, ich solle mich erholen, und verlässt das Zimmer.
    Mami und Papi.
    Ich versuche, mir etwas Ruhe zu gönnen. Ich versuche, meiner Seele etwas Ruhe zu gönnen. Die körperlichen Schmerzen sind stark; sie kommen von überallher und mischen sich zu einem großen Generalschmerz, einem lauten Heulen in meinem Körper, das ich allerdings von Zeit zu Zeit vergessen kann wie jemand, der neben einer Baustelle wohnt und den Presslufthammer irgendwann nicht mehr hört.
    Ich bin zu spät gesprungen. So eine Scheiße. Ich habe die Zeit falsch berechnet, die mein fetter Körper braucht, um fünf Meter zu fallen. Ich habe einen großen weißen Lastwagen anvisiert, dessen schwarze Stoßstange mir den Rest geben sollte. Doch der Lastwagen war schon halb unter der Brücke, als ich mit ihm in Kontakt kam. Ich landete auf seinem Dach, wurde von da gegen die Brücke geschleudert, prallte mit der linken Gesichtshälfte auf und fiel dann, mit der nun gefühllosen Schulter zuerst, auf den Seitenstreifen. Eine Weile lag ich da, doch niemand schien meinen Sturz bemerkt zu haben. Auch das tote Wildschwein, das da unter der Brücke lag, bemerkte keiner. Erst als ich mich aufrappelte, wurden einige Autos etwas langsamer, hielten mich dann aber wohl einfach für den Brücken-Troll.
    Ich ging weiter. Halb bewusstlos schleppte ich mich von der Kreuzung weg, in die gleiche Richtung, die ich vor meinem verkorksten Date mit dem Tod eingeschlagen hatte. Ich ging auf dem begrünten Streifen in der Mitte der mehrspurigen Straße. Mit einem verstauchten Knöchel und blutigem Gesicht. Die Leute hinter ihren Glücksrädern glotzten mich an, aber niemand hielt. Diese beschissenen, braven, unbescholtenen Bürger, die nie über Rot fahren, aber den Fernseher ablecken, sobald Tony Arschgesicht Soprano darauf erscheint.
    Wenig später begann es zu regnen, und von da an war ich unsichtbar.
    Also ging ich weiter. Wie ein verletzter Eisbär, den es instinktiv Richtung Nordpol zieht, sobald er spürt, dass er sterben wird, ging ich weiter, ohne zu wissen wohin. Die Straßenschilder sagten mir, dass ich Richtung Flughafen lief. Keflavik stand darauf und das Bild eines aufsteigenden Flugzeugs. Vielleicht könnte ich

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