Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen
die Besuchszeit. Offenbar benutzt sie mich, um die zerrüttete Beziehung zu ihrer Tochter zu kitten. Dadurch, dass Gunnhildur von mir erfährt, soll sie wieder etwas Respekt vor ihren Eltern bekommen. Heimlich einen Priester- und Polizistenmörder mit gebrochener Nase zu pflegen, nach dem fast weltweit gefahndet wird, kann Eltern nur interessanter machen. Ich finde das in Ordnung. Warum soll ich nicht auch ihr Erlöser sein. Wow. Diese Therapie scheint ein bisschen zu gut zu funktionieren.
Wie dem auch sei, das Telefon klingelt und Zickrita verschwindet für eine Weile. Wir sind allein. Meine verheulte Gunnhildur und ich.
»Hi«, flüstert sie mit schwacher Stimme. In einem Ton, den Leute benutzen, wenn sie nach einem Hurrikan wieder in ihr verlassenes Haus zurückkehren.
»Hi.«
»Ich habe dich angerufen.« »Ich weiß.«
Inzwischen kann ich wieder einigermaßen sprechen. »Wie fühlst du dich?«, fragt sie. »Hungrig.« Sie lächelt.
»Warum bist du abgehauen? Was ist passiert?« »Ich ... habe schlechte Nachrichten bekommen.«
»Was für Nachrichten?«
»Sie haben meine Freundin umgebracht.«
»Deine Freundin? Wer ...?«
»Die Mafia. Entweder unsere oder die Taliener.«
»Nein, ich meine, du hast eine Freundin?«
»Hatte. Sie haben sie umgebracht.«
»Ja, ja. Schön für dich.«
»Schön für mich?«
»Ja, dass du eine Freundin hattest. Davon wusste ich gar nichts.«
»Ich auch nicht.«
»Was?«
»Wir sind nur ... miteinander ausgegangen.« »Wie lange?« »Anderthalb Jahre.«
»In Island gilt man da als verheiratet. Wie lange kann man denn in Amerika einfach so »miteinander ausgehen«?«
»Ewig, denke ich mal. Nach fünfunddreißig Jahren wird es etwas ernsthafter, weil man dann einen Erbanspruch geltend machen kann.«
Sie lacht ein wenig.
»Wie hieß sie?«
»Munita.«
»Munita. Wie war sie denn so?« »Sie war ... fleischig.«
Da spricht wohl der Zahn in meinem Magen. »Fleischig?«
»Ja. Sie ... sie war wie ein Hauptgericht.«
Die Butterblondine sieht mich an, als hätte nicht nur mein Körper bei dem Unfall Schaden genommen. Ich befehle meinem Zahn, still zu sein.
»Okay«, sagt sie und befeuchtet ihre Sorbet-Lippen mit der Erdbeerzunge.
»Aber nun hat jemand sie aufgegessen. Bis auf den Kopf. Der ist noch im Kühlschrank. Bei mir.«
Nach kurzem Schweigen fragt sie wie ein Arzt, der die Zurechnungsfähigkeit eines Patienten testen will: »Und du hast sie geliebt?«
»Nein. Damals nicht. Erst jetzt, irgendwie.«
Der Tod ist ein Liebeselixir. Auch dass ich meinen Vater geliebt hatte, wurde mir erst klar, als er tot war.
Gunnhildur schweigt eine Weile, dann beugt sie sich vor, legt ihre Lippen an meine und erzeugt eines der merkwürdigsten Gefühle, die ich je in meinem Leben gespürt habe. In Rekordzeit muss ich Magen und Penis zu Verhandlungen an den runden Tisch rufen. Die beiden hungrigen Bestien beanspruchen den Kuss für sich. Doch bevor dieses Wunder vorbei ist, schaffe ich es, sie zu einer Einigung zu bewegen; ich stehe zwischen ihnen wie Bill Clinton auf der sonnigen Wiese vor dem Weißen Haus, während er den berühmten Handschlag zwischen Rabin und Arafat beaufsichtigt. Fragt sich nur, wer von den beiden der Penis ist.
Sie rückt den Verband auf meiner Nase zurecht.
»Meine Eltern haben große Pläne für dich. Sie sind richtig aufgeregt. Als wärest du DIE Herausforderung ihres Lebens.«
»Ich werde versuchen, sie nicht zu enttäuschen.«
»Versuch zumindest, sie nicht umzubringen.«
Ich mag diese Frau.
»Was ist bei dir und Tröster los?«
»Wir haben uns gestritten. War eine verrückte Woche.« »Okay.«
»Ich schlafe heute Nacht hier. In meinem alten Zimmer, das erste Mal seit sechs Jahren oder so ... Thórður kommt morgen.«
»Oh? Tortur?« Sie lacht.
»Ja. Er nimmt dich mit in seine Kirche.« »Aha?«
»Ja. Du musst durch das Höllentor hindurch, sagt mein Vater.« Ach du heilige Scheiße.
21. DAS HÖLLENTOR
Tortur-Therapie - Phase 2.
Ich stehe auf dem Teppichboden in der Kirche des bärtigen Mannes mit einem großen Pflaster auf der Stirn und einem fehlenden Eckzahn. Aber die Schwellungen sind weg, der Fußknöchel schmerzt weniger, und die rechte Schulter zwickt nur noch ein bisschen. Ich habe fast acht Kilo abgenommen. Für meinen schüchternen Magen war die Fastenwoche wie eine Psychotherapie.
Auf dem Weg hierher musste ich im Kofferraum liegen. Ich kann nicht anders als diese Leute zu bewundern. Doch begreifen, warum sie das alles für
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