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Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen

Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen

Titel: Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hallgrimur Helgason
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haben. Sie gucken so panisch cool, wie Männer nun mal aussehen, wenn sie gezwungen sind, ihre Nervosität zu verbergen.
    Ein ganz normaler Strip-Laden eben. Wie in Miami, wie in München.
    Gut Nie stellt uns seinem guten Freund vor, dem Besitzer: ein runder, mondgesichtiger Mann namens August, wie der Monat, aber eigentlich nennen ihn alle »Gusti Granny«. Er könnte sogar als resolute Oma durchgehen, so wie er seinen enormen Bauch durch den Laden wuchtet, mit seinem Doppelkinn, das beim Lachen vibriert wie Zitronengelee auf einer fliegenden Untertasse. Er hat schönes dunkles Haar, aber keine Anzeichen von Bartwuchs auf seinen glatten Wangen. Seine Nase ist ein kleiner, rosiger Kiesel.
    Granny würde eine tolle Bauchtänzerin abgeben, keine Frage.
    Als er/sie verschwindet, um uns die Speisekarte zu bringen, erklärt Gut Nie uns den Witz mit seinem Namen: Wörtlich übersetzt heißt »Gusti Granny« so etwas wie »Der dünne Gusti«. Ich wundere mich darüber, dass es überhaupt so ein Etablissement auf dieser nuttenfreien Insel gibt, und ein paar der Polen stimmen mir zu. Sobald Güsti mit der Weinkarte zurück ist, erzählt Gut Nie ihm, dass wir nicht wussten, dass es in Island solche Orte gibt.
    »Gibt es ja auch nicht!«, prustet Gústi heraus und schüttelt seinen Luxuskörper mit fröhlichem Gelächter. »Gibt's nicht!«
    Auf der Speisekarte stehen nur Fleischgerichte. Scharf angebraten nach baltischer, tschechischer oder russischer Art. Die Preise sind so hoch wie die Stripper-Stange auf der Bühne, aber unser fetter Freund bietet Gut Nies Männern einen Rabatt von 50%.
    »Ihr habt es euch verdient! Ihr baut das neue Island auf!«, ruft er mit roten Wangen und glänzenden Augen. »Hast du Schwarz?«, fragt Balatov.
    »Schwarz?« Güsti lacht, schweigt dann plötzlich und schnippt mit den Fingern.
    Eine schlanke Karibikprinzessin, Tag 5 mit Perlenaugen, kommt aus einer Ecke, die so dunkel ist wie ihre Haut, und der Schwarzmeermann bestellt sofort eine Flasche Schampus. Ich gebe mich mit einem großen Bier zufrieden, stehe an der Bar und sehe zu, wie meine Freunde sich verstreuen, um ihre sexuelle Einsamkeit zu lindern.
    Ein neues Lied erfüllt den Raum. It's getting hot in here, so take off all your clothes. Ein alter Hit von Kelly. Oder Nelly. Vielleicht sogar Belly. Ich reibe meine Zunge an der Stelle, wo der Zahn fehlt, beobachte, wie sich die Tänzerin ihren Tanga abreißt, und sehe, ja, einen Kaktus. Die Generation Gillette hat Sex in eine verdammte chirurgische Disziplin verwandelt. Ich proste all meinen haarigen Königinnen ein stilles »Skoll!« zu und denke an Munitas dunklen Regenwald.
    Ihre Doppelgängerin kommt zu mir und fragt mich in schlechtem Englisch, ob wir »zusammen trinken« wollen. Sie nennt sich Angel, ein Name, der mindestens einen Atlantik von ihrem zigeunerischen Aussehen entfernt ist. Angel ist eine volllippige, dunkelhäutige Mutter von zwei wohlgeratenen Titten, die auf ihren turmhohen Absätzen an einen der aufgebockten Jeeps erinnert. Sie ist eine ziemlich schlechte Kopie von Munita-Tag 6, wie der gute alte Toxic sagen würde -, aber wenigstens sitzt ihr Kopf noch auf ihrem Körper. Ich versuche, auf Zeit zu spielen, indem wir über ihre drei Wochen hier in Island sprechen, während meine Augen immer wieder zu einer Tag-3-Lettin auf der anderen Seite der Bar wandern, die Gunnhildur auf irritierende Art ähnelt. So geht's mir immer.
    Dann erinnere ich mich an Gustis großzügiges Angebot und frage den dunklen Engel, ob es hier auch Fleischplatten für mehrere Personen gibt. Aber klar, sagt sie und winkt der lettischen Gunnhildur zu. Sie trägt ein blaues Satinkleid und versucht beim Lächeln eine feste Zahnspange zu verbergen, solide baltische Handwerksarbeit, die eigentlich einen noch größeren Rabatt rechtfertigen würde. Aber ich habe ja schon meine 50 %. Also nehme ich die Kreditkarte, die Tortur mir geschenkt hat (gedeckt durch die Spenden rechtschaffener Supermarktkassiererinnen und anderer Nächstenliebejunkies an seine Kirche), und lege sie auf die Theke. Die Kellnerin, eine verrentete Stripperin mit faltigem Dekollete, berechnet mir den Gegenwert von zwei Monatsmieten im Hardwork Hotel für eine Flasche mit zwanzig Minuten Dreierfantasie. Das muss die teuerste Flasche seit Menschengedenken sein.
    Ich folge den vier Absätzen durch einen Gang aus Vorhängen. Hinter einem von ihnen versucht Balatov wahrscheinlich gerade, sich so lange zurückzuhalten, bis die

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