Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen
Gefängnis ist das Geilste«, sagt er eisig lächelnd, als er seine Zigarette auf den regennassen Parkplatz schnippt, auf dessen gegenüberliegender Seite zwei Lagerhallen stehen, zwischen denen man das in Tarnfarben gekleidete Reykjavik sieht.
»Hast du nie jemanden erschossen?«, frage ich.
»Erschossen? Nö. Jemanden mit einer Schusswaffe töten, ist wie eine Maus ficken«, sagt er und nimmt sein Messer wieder in die Hand. »Du weißt schon, eine Computermaus.«
Ich bin immer beeindruckter von meinen gläubigen Wohltätern. Die haben echt interessante Freunde. Erst vor ein paar Tagen hat Balatov mir gesagt, dass Gut Nie mal wegen Drogenschmuggels in Norwegen im Gefängnis gesessen hat.
Wenn man sich die Gesellschaft als Kreis vorstellen würde, wäre die internetbegeisterte, radfahrende, mülltrennende Mehrheit ganz oben. Auf der rechten Seite wären die altmodischen Waffennarren, die ihre Frauen lieber schlagen als mit ihnen zu schlafen, und links wären die verbitterten Globalisierungsgegner, die gegen alle schönen Dinge des Lebens wie Fleisch, Pornos und Erderwärmung sind. Und hier, in dieser Küche für die Bedürftigen, würde der Kreis sich schließen. Hier trifft das extrem Gute und extrem Böse aufeinander, genau auf der Schneide von Oles Kochmesser. So schmal ist der Grat zwischen Mörder und Priester.
Es ist mein erster »anständiger« Job seit einer kurzen Episode als Kellner, damals in meiner Bitteschön-Zeit in Hannover, und es gefällt mir ziemlich gut. Nicht denken zu müssen ist eine willkommene Abwechslung. Braune Plastiktabletts abzuwaschen ist meine Form der Meditation. Erst schmeiße ich die Reste weg (die bedürftigen Isländer sind offensichtlich nicht sehr bedürftig), dann spüle ich sie ab, bevor ich sie in eine große alte Spülmaschine stelle, nach deren Befinden sich Sammy bei jedem seiner Besuche erkundigt, als wäre sie seine alternde Mutter.
Ole fährt mich manchmal »nach Hause«, braust an der Haltestelle vorbei, an der le Chien mit den einheimischen Bekloppten auf den Bus wartet, und sogar seine berühmte Freundin hat mich einmal in ihrem kleinen weißen Polo mitgenommen. Harpa ist eine weitere isländische Butterblondine mit Sonnenbankbräune und einer Tätowierung auf ihrem Arm, die mir verrät, dass ihr Name »Harfe« bedeutet. Zu ihrem langen Hals und breiten Arsch würde »Laute« eigentlich besser passen. Trotzdem ist sie gar nicht so ungeil. Ich würde wahrscheinlich an Tag 10 oder n anfangen, für sie zu töten.
Es ist echt nett, jeden Tag von der Arbeit nach Hause zu kommen, ohne jemanden umgebracht zu haben. Zwar geistert immer noch der eine oder andere Verstorbene durch meinen Schlaf in der Lagerhalle, aber wenigstens habe ich aufgehört, meine Geistersammlung zu erweitern.
Normalerweise bin ich so um fünf oder sechs zurück im Sklavenhotel, wärme mir in der prähistorischen Mikrowelle einige Reste vom Samver-Mittagessen auf und esse sie in der Küche, wenn Balatov gerade nicht da ist. Ich muss auf mein Geld aufpassen, und abgesehen davon ist Oles Essen gar nicht schlecht. Und zu wissen, dass der Koch ein verurteilter Mörder ist, ein Mann, der Spaß am Schneiden von Fleisch hat, lässt das Essen noch besser schmecken. Seit ich mir meinen Lebensunterhalt selber verdiene, merke ich, dass Island das teuerste Land der Welt ist. Einmal den Kühlschrank vollzumachen kostet so viel wie ein ganzer Kühlschrank. Ein halbes Kilo Käse kostet so viel wie ein halbes Kilo Hasch. Viele Ausländer essen nur abgelaufene Sachen, die die Supermärkte abends vor den Lieferanteneingang stellen, und Gunnhildur hat mir einmal von einem deutschen Touristen erzählt, der einen Herzanfall bekam, als er in einem schicken Hotel die Rechnung für ein paar Cocktails bezahlen wollte.
Ich sage ihr immer, dass »das beste Land der Welt« nach denselben Gesetzen funktionieren muss wie der beste Club der Welt. Natürlich muss es dort am teuersten sein.
Die Regeln meiner Therapie verbieten es mir, abends auszugehen. Tortur erlaubt nicht einmal andere Bücher als das Buch der Bücher, und absolut gar kein DVD-Glotzen und Internet-Surfen. Abgesehen von den afroamerikanisch inspirierten Kurzgedichten von Balatov (»Ich denke Oprah in Dusche. Is gut.«), ist die Bibel meine einzige Form der Unterhaltung. Lesen war noch nie was für mich, obwohl ich schon mal so zwei, drei Romane gelesen habe, als Dikan mich auf meine Tournee durch die USA geschickt hat, wo ich innerhalb eines Monats in 17
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