Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zehn zärtliche Kratzbürsten

Zehn zärtliche Kratzbürsten

Titel: Zehn zärtliche Kratzbürsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
Vom Netzwerk:
hatte, den Sohn auf die höhere Schule zu schicken, und nachdem der ein paar Jahre studiert hatte, wurde aus dem Esel automatisch ein feiner Herr. Das war der Gel d automat jener Zeit. Diese »Leuchten« lenkten dann die Geschicke der Nation, pfui Deibel. Sie durften Jahre lang rumsitzen und in Büchern blättern, sich nebenbei auch noch in den Burschenschaften austoben, und wenn sie dann halbwegs durchs Examen kamen, hatten sie bis an ihr Lebensende ausgesorgt. Da wurde nicht nach dem Verstand gefragt, nicht nach der Leistung, rein gar nichts.
    Rauno fand, dass die feinen Herren in Finnland stets dümmer g e wesen waren als das einfache Volk, jene mit akademischem A b schluss am allerdümmsten. Natürlich konnte niemand für seinen vorhandenen oder nicht vorhandenen Verstand, aber wenn zur Dummheit auch noch Arroganz kam, war das inakzeptabel, gerade das führte zu Unruhen im Volk.
    Eila bemerkte, dass auch sie selbst einen akademischen Abschluss habe.
    Rauno meinte darauf, dass sie in den Fünfzigerjahren nicht hätte studieren können, denn auch sie stammte aus armen Verhältnissen. Er sagte, er habe eine Theorie über die Entwicklung der Dummheit in der finnischen Oberschicht entwickelt: Die Geldfamilien existie r ten jeweils nur bis in die vierte Generation. Zunächst stellt der Vorvater etwas auf die Beine, er gründet die erste Fabrik. Dann kommt der Sohn, erweitert den Betrieb und wird ein Patron, sein Sohn dann wird mit dem Titel Bergrat geschmückt und beginnt zu saufen. Und dessen Sohn wiederum ist bereits so von Geld und Macht verdorben, dass er alles verkommen lässt, den gewaltigen Besitz verliert, krank oder verrückt wird und sich am Ende, bette l arm, eine Kugel in den Schädel jagt. Innerhalb der Intelligenz ve r läuft alles nach demselben Schema, das sieht man in Finnland ganz besonders deutlich. Während der nationalen Erweckung in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts bildete sich eine eigene finnische Intelligenz heraus, Kivi, Snellman, Lönnrot und die and e ren, dies war zugleich die goldene Zeit der Kunst. Auch Sibelius kann man gerade noch zu dieser ersten Intelligenzgeneration zählen.
    Rauno Rämekorpi erhob die Stimme und brüllte, dass die zweite Generation der nationalen Intelligenz in den Anfangsjahren des vergangenen Jahrhunderts gewirkt habe, damals erhielt das Volk das Wahlrecht und die Unabhängigkeit. Mit dem Bürgerkrieg kam die Entwicklung zum Stillstand. Es folgte der intellektuelle Niedergang der Dreißigerjahre mit der Lapua-Bewegung und ähnlicher Idiotie, er setzte sich nach dem zweiten Weltkrieg als Welle der Einfalt fort. Und der jetzige Stand war, dass die Nachkommen jener Deppen das Land bevölkerten und, amerikanisches Englisch kauderwelschend, den veredelnden Charakter der Universitätsbildung priesen.
    Um das zu veranschaulichen, begann Rauno sein Englisch zu r a debrechen. Es hörte sich ziemlich schlimm an. Er verkündete, dass gerade die größten Trottel stets vom veredelnden Einfluss der Un i versitäten schwafeln und mit ihrer akademischen Bildung prahlen. Da vergessen sie gern, wer diese Bildung bezahlt, nämlich das gemeine Volk.
    Rauno: The common people, verdammt.
    Er geriet richtig in Rage, als er sich an früher erinnerte. Im No r den war die erste Grundschule in Betrieb genommen worden, die endlich gleiche Bildungschancen für alle Kinder, unabhängig vom Geldbeutel der Eltern, geboten hatte. Auch Raunos Kinder hatten dort lernen dürfen, gemeinsam mit den Kindern der Ärzte oder Forstmeister.
    Rauno: Ich weiß noch, wie irgendein Kerl von der Schulbehörde auf einem Seminar in Oulu gegen die neue Grundschule wetterte mit den Worten: »Einmal Grundschüler, immer Grundschüler.« Wer weiß, wo dieser Esel heute das Licht seines Verstandes versprüht, oder vielleicht liegt er auf dem Friedhof der Akademiker begraben.
    In seiner Erregung drückte der Industrierat Eilas Schenkel so stark, dass rote Flecken zurückblieben. Eila sprang vom Sofa auf, zupfte ihren Rock zurecht, dann schabte sie aus Verlegenheit mit dem Löffel Kaviar aus der Dose. Sie führte ihren Gast ins Schla f zimmer. Ein Doppelbett, sieh an, bei einer alleinstehenden Frau. Am Fußende stand eine kleine Bank und darauf ein Aquarium. Eila streute Kaviar aufs Wasser, und bald blubberte es, und zehn Wasse r schildkröten schnappten sich die Leckerbissen. Rauno fragte ve r wundert, warum sich Eila diese Viecher am Fußende ihres Bettes hielt.
    Sie sagte, sie finde es beruhigend,

Weitere Kostenlose Bücher