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Zehn zärtliche Kratzbürsten

Zehn zärtliche Kratzbürsten

Titel: Zehn zärtliche Kratzbürsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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Arbeiterbewegung …, mein Gott, wie haben wir uns über all das ereifert.
    Rauno: Hast du auch mich auf die Todesliste gesetzt?
    Irja: Ja, dein Name stand auch drauf, aber ich habe unter minde s tens eine der Listen geschrieben, dass du für eine Übergangszeit zum Verwalter deiner Fabrik gemacht und erst dann erschossen wirst, wenn der Betrieb sozialistisch organisiert ist.
    Rauno Rämekorpi fing seinerseits an aufzuzählen, wie die letzten vierzig Jahre für die finnischen Männer verlaufen waren. Sie wurden seit Jahrzehnten verunglimpft. Verbissene Journalistinnen hatten schon in den Sechzigerjahren damit begonnen.
    Erregt zählte Rauno auf: In den 60er Jahren betrachtete der finn i sche Mann die Frauen angeblich als bloßes Sexobjekt. Im nächsten Jahrzehnt dann waren die Männer nicht fähig, zärtlich zu sein, und weinten nicht, wenn sie Kummer hatten. Die Männer waren zu hart, und das konnte man ihnen nicht ohne Tadel durchgehen lassen.
    In den Achtzigerjahren, als sich die Männer brav das Weinen a n gewöhnt hatten, galten sie als Weicheier, Biersäufer und Verweigerer des Familienlebens, und in jüngster Zeit wurden sie aus reiner Gewohnheit für all ihre früheren Sünden beschimpft.
    Rauno: Das ist überhaupt nicht mehr lustig. Wenn ein Mann es wagen würde, öffentlich die Frauen so roh zu beschimpfen, wie ihr es mit uns macht, dann würde man ihn vors Gericht zerren und einsperren. Sein ganzes Leben lang hat man Hohn und Spott ertragen müssen.
    Rauno Rämekorpi ging zur Flurgarderobe und holte aus der Jacke seines Fracks eine Dose Kaviar. Irja zeigte in Richtung Küche, dort gäbe es einen Öffner. Die Speiseordnung im Haushalt war streng: kein Schinken, auch kein anderer Aufschnitt, aber im Gemüsefach eine Arzneimittelpackung mit der erhellenden Aufschrift: Viagra. Rauno konnte es sich nicht verkneifen, die Packung zu öffnen, und er stellte fest, dass bereits die Hälfte, nämlich drei Pillen, verbraucht waren. Er beschloss, das Risiko zu wagen und auszuprobieren, wie dieses Wunderpräparat bei ihm wirken würde. Eine Tablette unter die Zunge und zurück ins Wohnzimmer, wo er die Pille mit Cha m pagner hinunterspülte. Irja entdeckte in der Hand ihres ehemaligen Geliebten das teure Männlichkeitspräparat und die Kaviardose.
    Irja: Du Trottel hast mein Medikament geschluckt! In einer Stu n de steht bei dir mehr als nur der Verstand.
    Rauno: In meinem Alter und anlässlich dieser Tour könnte ich die Dinger doch mal probieren.
    Irja war fast wütend: Sie hatte die Pillen als erotisches Hilfsmittel für ihren Mann und nicht als Kostprobe für Besucher angeschafft.
    Sie erzählte, dass ihr früherer Mann gutaussehend und intelligent, aber auf seine Art verrückt gewesen war, so wie es alle Männer sind, und schließlich hatte er sich in Jyväskylä umgebracht. Er war vom Balkon gesprungen und hatte sich während des Sprungs eine Kugel in den Mund geschossen, ihre gemeinsame Wohnung hatte sich in der sechsten Etage befunden. Sein Körper war auf der Straße aufg e schlagen, die Polizisten hatten gesagt, dass Wiederbelebungsvers u che nicht lohnten, es sei eine klare Sache.
    Rauno: Dein Leben war ja auch nicht gerade rosig.
    Irja: Kurze Zehen, langes Leben. Dann wurde bei mir Brustkrebs festgestellt, und die Ärzte schnitten mir die linke Brust ab.
    Rauno: Es wird ja immer schlimmer.
    Irja: Man hat mir aus Silikon eine neue Brust gemacht, soll ich sie dir mal zeigen?
    Sie öffnete ihren Morgenrock einen Spalt breit. Rauno Rämekorpi starrte staunend auf die Brüste seiner früheren Partnerin. Verlocke n der denn je.
    Irja: Glotz nicht so, lass uns eine Stunde warten.
    Die Zeit des Wartenden ist lang, die Stunde glitt nach Raunos Empfinden dahin wie ein träger Fluss. Zum Glück war Irja gespr ä chig. Sie interessierte sich neuerdings für Jesu Leben. Wie war es möglich, dass ein Volksführer hingerichtet wurde, der einen so gewaltigen Rückhalt bei den Leuten hatte? Irgendwie verehrte sie ihn mehr als einst in jungen Jahren Lenin, denn Jesus war ein guter Mann gewesen, und er war eine historische Persönlichkeit.
    Irja fand, dass sich die Volksmassen vor zweitausend Jahren g e nauso verhalten hatten wie die heutigen auch: Ein Führer, der auf dem Höhepunkt seiner Beliebtheit ist, wird niedergeschrien und in einer Massenpsychose ans Kreuz genagelt, anders war es eigentlich nie gewesen. Schade nur, dass Jesus keine Truppen gehabt hatte, die ihn unterstützten, die paar trägen Jünger hatten ihn nicht

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