Zehn zärtliche Kratzbürsten
bester Ordnung.
Der Schlafende hielt ein abgenutztes Lederportmonee umkla m mert. Rämekorpi gewann so viel Interesse an dem Alten, dass er ihm die Geldbörse aus der Hand wand, um sich zu überzeugen, ob sein Geld noch da war. Viel war es nicht, zwei Zwanzigerscheine. Ein paar Quittungen belegten, dass der Mann Rentner und Kunde der östlichen Sozialbehörde war. Der zerfledderte Personalausweis sagte aus, dass er am 17.9.1955 in Keuruu geboren worden war. Der Mann war also fünfzehn Jahre jünger als Rauno Rämekorpi, wirkte aber um ebenso viele Jahre älter als dieser. So also ging das Leben mit den Menschen um – mit manchen härter und mit anderen weniger hart. Der Industrierat steckte einen ordentlichen Packen Hunderterscheine ins Portmonee und drückte es dem Rentner wieder in die Faust. Er hoffte, dass der Mann aufwachen würde, bevor man ihn ausraubte, aber auch ein eventueller Räuber könnte das Geld wohl gut brauchen, da er doch zu solchen Mitteln griff.
Rauno Rämekorpi rief seine Frau an und bekam immer noch keine Antwort. Dann beorderte er seinen Fahrer nach Töölö, und als das Taxi kam, setzte er sich auf den Beifahrersitz neben Sorjonen. Wieder war ihm nicht ganz klar, wohin er wollte. Er fragte, ob Sorjonen schon jemals einen Kerl chauffiert habe, der gar nicht richtig wusste, wohin er wollte.
Sorjonen: Einmal hat ein alter Mann mein Taxi in Anspruch g e nommen, der tatsächlich sein Ziel nicht kannte, da er sich nicht daran erinnerte. Rytkönen, Vermessungsrat. Die Räte scheinen mein Taxi besonders zu bevorzugen.
Sorjonen erzählte, dass dieser erwähnte Vermessungsrat Rytkönen den ganzen Sommer lang mit dem Taxi unterwegs gewesen war. Aufgelesen hatte Sorjonen ihn in Tapiola, dann waren sie kreuz und quer durchs Land gefahren, der Mann hatte sogar einen ganzen Bauernhof abgefackelt und in die Luft gesprengt, quasi in Ermang e lung einer anderen Beschäftigung. Die weitesten Ziele waren Sein ä joki und Lestijärvi gewesen. Rauno Rämekorpi war also mit seiner Art, ziellos mit dem Taxi herumzufahren, um Frauen aufzureißen und Blumen hin und her zu transportieren, durchaus kein ungewöh n licher Fall.
Rauno hatte ziemlich zwiespältige Gefühle: Einerseits war er glücklich, andererseits verängstigt. Er fragte, ob er wohl verrückt geworden sei, was meinte Sorjonen?
Der fand, dass es keinen Grund zur Sorge gebe. Raunos Frau we r de früher oder später auftauchen, außerdem habe er auf dieser Tour auch ohne sie wahrlich genug Frauen gehabt.
Rauno Rämekorpi war sein ganzes Leben lang ein Mann mit sta r ken Nerven gewesen, kleine Depressionen hatten ihm nicht viel ausgemacht, und er hatte nie bei einem Therapeuten Hilfe suchen müssen. Aber immerhin war er einst in jüngeren Jahren mit einer gewissen Irja liiert gewesen, einer Psychologin, die jetzt, soweit er wusste, in einem Eigenheim in Vantaa wohnte. Ob sie ihm in dieser Situation helfen könnte? Rauno erinnerte sich, dass sie in jeder Hinsicht lieb und hilfsbereit war, und eben von Beruf Psychologin, sie arbeitete zwar in einer Kinderklinik, doch war sie auf jeden Fall vom Fach. Also ein Anruf bei Irja und das Auto gen Vantaa gelenkt.
Irja empfing Rauno Rämekorpi im Morgenrock, denn es war erst acht Uhr. Sie lud auch Seppo Sorjonen in ihr Haus ein und kündigte an, Frühstück zu machen. Das Haus war gelb verputzt und in gutem Zustand. Irja selbst war eine fünfzigjährige schlanke Frau, sie läche l te freundlich, während sie die Gäste empfing, und errötete ganz reizend, als sie einen großen Blumenstrauß entgegennahm. Flugs in die Vase mit dem Geschenk des Ingenieurverbandes. Sorjonen drückte der Gastgeberin beflissen eine Flasche kühlen Champagner in die Hand. Er hatte dafür gesorgt, dass in der Kühltasche ständig genug Eis war.
Seppo Sorjonen fuhr davon und wünschte den beiden beim A b schied ein paar unterhaltsame Morgenstunden. Als das Paar alleine war, zog Rauno die Jacke seines Fracks aus. Sie war in einem schlimmen Zustand, fleckig von der Schlägerei und im Rücken zerrissen, von oben bis unten.
Irja: Oh, du Unglücksrabe hast deinen Frack zerrissen.
Rauno Rämekorpi bekannte, dass er sich in der vergangenen Nacht im Nationalmuseum mit einem eifersüchtigen Mann geprügelt hatte. Wegen dieser Sache und wegen vieler anderer wollte er eigen t lich mit Irja reden. Nicht nur sein Festanzug war ramponiert, auße r dem war seine Frau auf und davon. Nicht gerade die beste Situation für einen Mann, der auch noch
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