Zehn zärtliche Kratzbürsten
hatte Flecken von der Prügelei, und der Riss verlief über den ganzen Rücken. Irja begann zu überlegen, wie sich halbwegs manierliche Sachen für den Helden auftreiben ließen, damit er nach Hause zurückkehren und seiner Frau unter die Augen treten könnte.
Irja: Ich weiß etwas! Du kannst den Frack von Ulla-Maijas ve r storbenem Mann ausleihen. Dass mir das nicht gleich eingefallen ist!
Irja hatte eine muntere Tante, eine gewisse Ulla-Maija Lindholm, Witwe eines Feldbischofs. Ihr Mann war schon lange tot. Er hatte natürlich eine Uniform hinterlassen, aber garantiert auch Zivilkle i dung – Irja erinnerte sich, ihn mehr als nur einmal im Frack gesehen zu haben. Rauno konnte sich nicht gleich an Feldbischof Lindholm erinnern. Irja sagte ihm, dass der Mann vor etwa zehn Jahren gesto r ben war, aber sein Frack war garantiert noch in gutem Zustand, denn Lindholm war sehr korrekt gewesen. Er hatte etwa die gleiche Statur wie Rauno gehabt, und sollte der Frack nicht mehr in Ordnung sein, was würde Rauno daran hindern, in die Uniform des Verstorbenen zu schlüpfen? Er könnte durchaus ein, zwei Tage als Feldbischof auftreten. Im Felde hatte er sich schließlich die letzten Tage heru m getrieben und sich dabei den Frack ramponiert.
Irja hatte die Lindholms von klein auf gekannt, denn auch ihr e i gener Vater war ein Mann der Kirche gewesen, Pfarrer der Kirchg e meinde des Landkreises Jyväskylä, später war er zum Probst ernannt worden. Er und Lindholm waren viel zusammen gewesen und hatten auch ihre Familien miteinander bekannt gemacht.
Irja betonte, Ulla-Maija sei ein wirklich lustiger Mensch, sie liebe es zu feiern, obwohl das Leben an der Seite eines Bischofs keine s wegs nur ein Fest gewesen sei. Rauno könne getrost zu ihr gehen, die Witwe werde sich garantiert freuen, wenn ein schmucker Mann sie überraschend besuche.
Rauno erhob Einwände: Er konnte doch nicht so mir nichts, dir nichts eine unbekannte Witwe aufsuchen, um einen Frack auszule i hen …, noch dazu in diesen Fetzen, die er am Leib trug.
Irja drängte ihn, den Taxifahrer anzurufen. Bald würde die Wi r kung des Viagras nachlassen, also war Eile geboten, falls Rauno die Miete für den Frack mit der gleichen Währung bezahlen wollte, mit der er seine einstige Partnerin beglückt hatte.
Irja telefonierte mit ihrer Tante, die freudig überrascht war, als sie erfuhr, dass ein interessanter männlicher Gast zu ihr käme, ein Industrierat, der seinen sechzigsten Geburtstag gefeiert hatte und darüber so aus dem Häuschen geraten war, dass er mit dem Taxi kreuz und quer durch die Stadt gefahren war, um Frauen aufzureißen. Dabei hatte seine Kleidung so gelitten, dass er sich darin nicht nach Hause traute.
Rauno seinerseits rief Seppo Sorjonen an, und der versprach, se i nen alten Freund in Kürze abzuholen.
Sorjonen: Immer noch locken die Straßen der Stadt?
Rauno: Ein plötzliches Ende ist nicht in Sicht. Die zehnte Krat z bürste ruft.
Jetzt schwang sich Sorjonen zum Therapeuten auf. Er wolle ja in keiner Weise beleidigend wirken, aber während der Blumenrunde sei ihm deutlich geworden, welch lasterhaftes Leben der verehrte Indus t rierat führe.
Rauno: Wie bitte? Meinst du etwa mich?
Sorjonen meinte, dass er bei seiner Arbeit als Taxifahrer schon das eine und andere erlebt habe, aber Rauno Rämekorpi stelle alles in den Schatten. Das waren mehr als deutliche Worte.
Rauno Rämekorpi dachte eine Weile darüber nach, fand den Vo r wurf berechtigt, doch meinte dahinter auch eine Spur von Neid zu entdecken. Rauno hatte keine Angst vor Kritik.
Die beiden Männer versöhnten sich wieder und wählten gemei n sam die passenden Blumen aus – diesmal war es ein Strauß gelber Rosen vom Außenhandelsverband –, bei der Gelegenheit stellten sie fest, dass noch reichlich Champagner, auch genug Eis in der Kühlt a sche und ein paar Dosen mit Kaviar und Gänseleber vorhanden waren.
Als Sorjonen mit dem Industrierat abgefahren war, führte Irja nochmals ein Telefonat mit der Witwe Ulla-Maija Lindholm.
Irja: Schmink dich rasch, liebe Tante, und dann such den Frack deines Alten heraus, und leg ihn bereit. Der Besucher wird bald bei dir eintreffen. Ich garantiere dir, dass du einen großartigen Tag haben wirst, der Kerl hat sich nämlich aus meinem Kühlschrank mir nichts, dir nichts das Viagra stibitzt, weiß der Teufel, womöglich hat er mehr als nur eine Pille geschluckt.
Sie erklärte, dass sie bereits ausprobiert habe, wie das Medik a ment bei ihm
Weitere Kostenlose Bücher