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Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall

Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall

Titel: Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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schnippte Kevin seine Zigarettenkippe in Richtung eines etwa 12-jährigen Jungen, der unweit von ihm entfernt an der Bordsteinkante stand. Erschrocken wich der Schüler einen Schritt zurück und senkte den Blick zu Boden.
    Grinsend stieg der ›King‹, wie Kevin sich selbst gerne nannte, als Erster in den Bus. In gebührendem Abstand folgten ihm die anderen Kinder und Jugendlichen. Mit lautem Gejohle wurde er von seinen Kumpels empfangen, die wie immer die letzte Sitzreihe für sich in Beschlag genommen hatten. Auch an diesem kühlen, sonnigen Montagmorgen hatten sie den mittleren Platz für ihn reserviert.
    »Oh leck, sind heute Bundesjugendspiele?«, fragte Kevin überflüssigerweise, denn das aus Trainingsanzügen und Sportschuhen bestehende Outfit seiner Freunde beantwortete die Frage hinlänglich. »Shit, das hab ich voll verpennt.«
    Nachdem Kevin alle Kumpels mit dem obligaten Handschlagritual begrüßt hatte, nahm er wie ein Herrscher auf seinem Thron Platz. Von hier aus hatte er alles und jeden im Blick, auch den Busfahrer, der nur ab und an einen verstohlenen Blick nach hinten warf. Er wollte die polizeibekannten Jugendlichen nicht provozieren. Vor ungefähr einem Monat hatte ein resoluter Kollege die Clique drei Haltestellen vor ihrer Schule zum Aussteigen genötigt – und ein paar Tage später wurden die Reifen seines Autos zerstochen.
    Da der Sportunterricht die einzige schulische Disziplin war, die Kevin einigermaßen Spaß machte und in der ein ›sehr gut‹ in seinem ansonsten miserablen Zeugnis stand, wollte er unbedingt an den Wettkämpfen teilnehmen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil er seinen weiblichen Fans etwas bieten wollte – und das waren nicht wenige.
    Betont lässig erhob er sich und schlenderte durch den schmalen Gang. Wie ein Fahrkartenkontrolleur musterte er dabei nacheinander die Businsassen, die alle seinem Blick auswichen. Drei Reihen hinter dem Fahrer entdeckte er einen Jungen, den er zwar vom Sehen kannte, der aber eine andere Schule besuchte. Kevin setzte sich auf den freien Platz neben ihm, drängte sich dicht an ihn heran und zeigte auf dessen Sporttasche.
    »Welche Schuhgröße hast du denn, du kleiner Gymnasiums-Scheißer?«, zischte er. Die aggressive Stimme ließ keinerlei Zweifel an seinen Absichten aufkommen.
    »43«, hauchte der völlig eingeschüchterte Schüler.
    Kevin gab ihm einen kräftigen Schubs mit der Schulter, der den Kopf des schlaksigen Jungen an die Scheibe knallen ließ. »Ey, geil, Alder, die hab ich auch. Du leihst mir doch bestimmt gerne deine Sportsachen, oder?« Um seiner Forderung noch mehr Nachdruck zu verleihen, drückte er den zitternden Jungen so fest ans Fenster, dass dieser fast keine Luft mehr bekam. Der verängstigte Gymnasiast nickte krampfhaft.
    »Danke, du kleiner Hosenscheißer«, höhnte Kevin und griff sich die Sporttasche. »Kannste nach der Schule im Reichswaldstadion abholen. Ich leg’se hinter die Sprunggrube. Bist’n echter Kumpel, Mann.«
    Hämisch grinsend schälte sich Kevin aus dem Sitz. »Und ’nen schönen Gruß an deine liebe, süße Mami«, sagte er laut. »Bei der kannste dich heute Mittag ausheulen.«
    Wie eine Jagdtrophäe hielt er die Sporttasche in die Höhe, worauf im hinteren Teil des Busses stürmischer Applaus aufbrandete.
    »Geil, ey. Alder, du bist der Größte«, lobte einer aus der Clique. Als Kevin wieder neben ihm saß, fragte er leise: »Haste was zu saufen dabei?«
    »Logo, Mann.«
    Auf einem Waldweg in der Nähe des Stadions bereitete sich die Clique mit einem großen Schluck Wodka auf den bevorstehenden Sportwettkampf vor. Anschließend schlenderten die Jugendlichen zu ihrer Klasse, die sich bereits im Stadion an der Weitsprunganlage eingefunden hatte.
    »Ach, schön, dass der Herr Arbogast und seine Kollegen sich auch endlich die Ehre geben. Mensch, Kevin, du bist doch als Erster an der Reihe«, schimpfte sein Klassenleiter, ein knapp 60-jähriger, dicklicher Mann mit Vollglatze, der in der engen, ballonseidenen Sportkleidung an eine Christbaumkugel in Birnenform erinnerte.
    Unter den Augen einiger kichernder Mädchen entledigte sich Kevin gleich an Ort und Stelle seiner Skaterkleidung. Anschließend schlüpfte er in die ›geliehenen‹ Sportklamotten und stellte sich auf die Anlaufbahn.
    »Aus dem Weg, ich will endlich die sechs Meter springen«, posaunte er lauthals hinaus.
    Seine Klassenkameraden traten zur Seite und gaben die Tartanbahn frei. Wie ein Profi pumpte er den Thorax auf, klatschte

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