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Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall

Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall

Titel: Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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Mit einem rasierpinselähnlichen Gegenstand befreite er das aschgraue Gesicht des Mannes von Sand. Wie bei einer archäologischen Ausgrabung ging er dabei ausgesprochen behutsam zu Werke. Sehr zum Widerwillen des Gerichtsmediziners, der augenscheinlich keine Lust hatte, so lange zu warten, bis der Spurenexperte mit seiner Arbeit fertig war.
    »Jetzt mach doch nicht so’n überflüssiges Gedöns«, pflaumte ihn Dr. Schönthaler an. »Das ist schließlich kein antiker pfälzischer Kaiser, sondern einer, der noch bis vor Kurzem von Flugzeugabgasen verpestete Ramsteiner Luft eingeatmet hat.«
    »Komm, Karl, sei so gut und lass uns mal ran«, unterstützte Tannenberg seinen Freund.
    Der Kriminaltechniker warf den beiden Ankömmlingen einen giftigen Blick zu und erhob sich gemächlich. »Gut, dann geh ich eben einen Kaffee trinken. Aber beschwert euch nachher ja nicht wieder, dass wir nicht genügend Spuren sichergestellt hätten.«
    »Reg dich nicht so auf, Karl, wir brauchen doch gar nicht lange«, sagte Tannenberg in versöhnlichem Ton. Aber Mertel war schon hinter der Sichtschutzwand verschwunden.
    Der etwa 65-jährige Tote lag wie in einem Sarg auf dem Rücken, die Arme waren vor dem Bauch verschränkt. Der Mann trug einen grauen Jogginganzug aus Baumwolle und altmodische schwarze Turnschuhe. In Höhe der Herzgegend zeichnete sich ein größerer Blutfleck ab.
    Der Rechtsmediziner zog an dieser Stelle den Sweatshirtstoff auseinander. »Hier ist das Projektil sehr wahrscheinlich in den Körper eingedrungen«, sagte er eher zu sich selbst. Lauter und an seinen Freund gerichtet, schob er nach. »Hilf mir mal.«
    Während die beiden Männer den Leichnam auf die Seite drehten, rieselte feinkörniger Sand aus Mund, Nase und Ohren des Mordopfers. Nach einer kurzen Begutachtung des Rückens erklärte der Rechtsmediziner: »Und hierbei handelt es sich wohl um die Austrittswunde.«
    Während Tannenberg den Korpus an der Schulter festhielt, zog Dr. Schönthaler Hose und Boxershorts des Toten nach unten und maß rektal dessen Körpertemperatur. Parallel dazu tastete er auf einem Totenfleck herum. »Wegdrückbar, aber nicht mehr verlagerbar. Und das sagt uns?«
    »Dass der Todeszeitpunkt mindestens 10-12 Stunden zurückliegt.«
    »Exakt. Und aufgrund der Körpertemperatur dieses alten Knaben können wir den Zeitpunkt seines Ablebens noch weiter eingrenzen. Ich schätze mal, dass der Tod vor etwa 12-14 Stunden eingetreten ist.«
    Tannenberg schaute auf seine Armbanduhr und rechnete zurück. »Das dürfte dann wohl so zwischen 19 und 21 Uhr gewesen sein.«
    »Deine grandiosen mathematischen Fähigkeiten verblüffen mich stets aufs Neue«, spottete der Gerichtsmediziner.
    Nachdem der Leichnam wieder auf dem Rücken lag, durchsuchte Tannenberg die Hosentaschen des Mordopfers. Außer zwei Leinentaschentüchern und einem Hustenbonbon befand sich nichts darin.
    »Kein Schlüssel, keine Ausweispapiere. Vielleicht wohnt der Mann ja hier ganz in der Nähe«, grummelte er vor sich hin. »Oder er hat irgendwo seine Tasche abgelegt.«
    »Erinnerst du dich eigentlich noch an unseren Hollandurlaub vor circa 30 Jahren«, fragte der Pathologe, während er den Leichnam weiter inspizierte. »Da hatten wir doch die Mädels aus dem Nachbarzelt auch ein paar Mal am Strand im Sand eingebuddelt. Ich weiß noch genau, dass die eine, auf die du so scharf gewesen bist, am nächsten Tag in Amsterdam in der Drogenszene untergetaucht ist. Ihre armen Eltern sind doch irgendwann auf dem Campingplatz aufgekreuzt und haben uns befragt. Wo waren diese wilden Hühner noch mal her?«
    »Du hast vielleicht Probleme, Rainer«, entgegnete Tannenberg kopfschüttelnd.
    »Das ist nichts anderes als ein Gedächtnistest für dich senilen Tattergreis. Und?«
    »Sie waren aus Leverkusen.«
    Plötzlich tauchte ein Hubschrauber über ihnen auf. Reflexartig duckten sie sich und blickten nach oben. Sie erspähten einen Pressefotografen, der aus der offenen Seitentür des Helikopters heraus Schnappschüsse machte.
    »Verfluchter Aasgeier«, brüllte Tannenberg den Rotorblättern entgegen.
    »Dieser Spruch stimmt ausnahmsweise, denn der Pressefuzzi fliegt ja wirklich«, rief Dr. Schönthaler in den Höllenlärm hinein.
    Kurz darauf stürmte Mertel mit einem großen Sonnenschirm in die Sichtschutzkabine, den er wie eine Lanze seitlich am Körper hielt. Er rammte ihn in den Sand und spannte ihn auf. »Damit ist euch der Blick auf den Leichnam versperrt, ihr pietätslosen Gaffer!«,

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