Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall
Namen hab ich ja noch nie gehört. Wo soll dieses Kaff denn liegen? Frag deinen Rentner doch einfach mal. Der wird’s ja wohl wissen.«
Schauß tat, wie ihm geheißen.
»Südwestlich von Kusel, direkt an der saarländischen Grenze«, erläuterte er nur wenig später.
»Wahrscheinlich im Saarland. Wenn’s in der Pfalz liegen würde, hätte ich den Namen garantiert schon mal gehört«, brabbelte der SOKO-Leiter, während sein Finger die westliche Pfalzgrenze abfuhr. Auf der Höhe von St. Wendel rastete sein Zeigefinger ein. »Ich hab’s«, jubilierte er. »Der Ort liegt haargenau auf der Horizontalen des Fadenkreuzes. – Ruhe, Leute!«, rief er laut und hastete zu seinem jungen Mitarbeiter.
Schlagartig wurde es leiser in dem umfunktionierten großen Konferenzzimmer.
Er riss Schauß den Telefonhörer aus der Hand. »Hauptkommissar Tannenberg. Ich bin der Leiter der Sonderkommission ›Sniper‹«, stellte er sich kurz vor. »Erzählen Sie bitte alles der Reihe nach.«
Noch bevor Gerster seinen ersten Satz begann, schaltete Tannenberg den Lautsprecher ein. Diejenigen Ermittler, die nicht gerade ein Telefonat führten, lauschten aufmerksam den hektisch ausgestoßenen Worten des Rentners. Und diejenigen, die noch telefonierten, hörten mit einem Ohr zu, während sie im Flüsterton mit ihren Gesprächspartnern weitersprachen.
»Bleiben Sie bitte an Ort und Stelle. Ich schicke Ihnen sofort die Spurensicherung. Vielen Dank, Herr Gerster!«, beendete Tannenberg das Gespräch und wandte sich an seine Mitarbeiter.
»Leute, ich hab’s im Urin«, posaunte er lauthals hinaus und klatschte in die Hände. »Das hier ist eine ganz, ganz heiße Spur. Also, Ringalarmfahndung auslösen, die saarländischen und französischen Kollegen verständigen und so weiter. Wir suchen einen silbergrauen Opel Astra mit KL-Kennzeichen, weitere Details unbekannt. Der Täter ist extrem gefährlich und skrupellos. Er ist im Besitz von Waffen, von denen er rücksichtslos Gebrauch machen wird. Deshalb hat die Eigensicherung absolute Priorität! Gebt das unbedingt weiter. Ist das klar?«
Allseitiges, stummes Nicken zur Antwort.
Selbstverständlich wurden auch die Autobahnpolizei und mehrere Helikopter in die Alarmfahndung miteinbezogen. Wie stets, wenn das Wochenende unmittelbar vor der Tür stand, war die A 6 auch an diesem Freitagabend stark befahren. Dicht an dicht reihten sich die Fahrzeuge aneinander und erschwerten der Streife, die auf der Autobahn in Richtung Kaiserslautern unterwegs war, die Arbeit. Innerhalb der letzten Viertelstunde hatten die beiden Beamten bereits zwei silbergraue Opel Astra mit Kaiserslauterer Kennzeichen ausgemacht, überholt und deren Insassen in Augenschein genommen. In dem ersten Auto befand sich ein älteres Ehepaar und im zweiten eine mehrköpfige Familie.
»Silbergrauer Astra in Höhe der Ausfahrt Einsiedlerhof«, quäkte die Stimme des Hubschrauberpiloten. »Er fährt mit normaler Geschwindigkeit auf der rechten Spur – direkt hinter einem Ikea-Lkw.«
Kaum eine Minute danach erspähte der Beifahrer des Polizeiautos den Astra. Wie angekündigt folgte das Auto einem blau und gelb gespritzten Lkw. Hinter dem Astra reihten sich in geringem Abstand mehrere andere Pkws wie an einer Perlenschnur auf. In einer auf der Überholspur dahinschleichenden Blechkarawane näherte sich das Einsatzfahrzeug dem silbergrauen Opel.
Als der jüngere der beiden Beamten die Silhouette eines Männerkopfes ausmachte, stieß er aufgeregt aus: »Ich glaube, da sitzt nur einer drin. Was machen wir, wenn der das wirklich ist?« Mit zitternden Fingern öffnete er das Handschuhfach, zog seine Dienstwaffe heraus und entsicherte sie.
»Langsam, langsam, Lars. Willst du etwa hier rumballern? Mach dir mal nicht gleich ins Hemd«, gab sein bedeutend älterer Kollege gelassen zurück. Er wies mit dem Kinn auf den Astra. »Ich glaube nicht, dass der Mann in diesem Auto der gesuchte Sniper ist. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass ein Profikiller so blöd ist und ausgerechnet jetzt in die Höhle des Löwen zurückkehrt. Der setzt sich bestimmt über die grüne Grenze ins Ausland ab. Wenn er es inzwischen nicht schon getan hat. Würde ich an seiner Stelle genauso machen.«
»Glaubst du?«
»Sicher, mein Junge. Komm, leg die Waffe zurück, sonst erschießt du mich auf einmal noch unabsichtlich.«
Gemächlich schob sich der BMW-Kombi näher an den Astra heran. Nun konnte auch der ältere Beamte einen Männerkopf erkennen. Der
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