Zehnmall Männerliebe
holen, die mir gehören.“
Die Freude über seinen Anblick wich Kummer. Ich ließ ihn herein und er strebte sogleich das Wohnzimmer an.
„Benni, sag mal, spinnst du jetzt völlig?“, rief er und warf einen fassungslosen Blick über die Schulter.
„Nein, das ist doch nur, damit ich - wenn ich mich denn endlich mal erschießen darf – hier keinen Dreck mache“, erwiderte ich patzig.
„Erschießen?“, fragte Nathan und lief auch schon zur Küche.
Er hob die Pistole mit spitzen Fingern hoch und schaute abwechselnd zu mir und auf die Waffe. Sein Blick spiegelte Unglauben und Trauer. Vorsichtig legte er die Pistole zurück und stand eine Weile einfach nur da.
„Warum willst du nicht mit mir reden?“, fragte er schließlich.
„Hätte das einen Sinn?“, echauffierte ich mich. „Du bist einfach ausgezogen. Ohne ein Wort.“
„Das stimmt nicht.“ Nathan schüttelte den Kopf. „Ich habe dir gesagt, dass du mal an dir arbeiten musst. Mein Gott, Benni! Du hast zuletzt die Lebensmittel im Kühlschrank nach Farben sortiert. Ist dir klar, wie irre es ist, wenn ich die Gurke neben der grünen Käsepackung finde und den Senf neben dem Gouda?“
Ups! Das hatte ich irgendwie verdrängt, doch jetzt erinnerte ich mich daran. Doch statt Reue kam Wut auf. Ich trat in die Küche und griff nach dem Colt, fuchtelte damit herum und zischte. „Verdammt! Darf ich endlich in Ruhe abkratzen? Nimm deine Sachen und verpiss dich. Der Kühlschrank ist übrigens jetzt leer. Alles weiß, ich brauchte also nichts sortieren. Nathan, hau ab ... ich bin fertig mit dir und hier …“, ich schnappte mir die Umschläge, „…Post für dich und meine Mutter, außerdem ein Schlüssel für UNSERE Wohnung, damit du das Schloss nicht aufbrechen lassen musst. Wäre doch schade drum. Ach ja, und hier…“, ich drückte Nathan die Briefe in die Hand, gleich danach Volkmars Schlüssel, „…trage du die Verantwortung für die Nachbarwohnung. Ich würde jetzt ganz gerne mal ein bisschen sterben.“
Mit offenem Mund und vollen Händen starrte mein Exfreund mich an. Mir fiel noch etwas ein.
„Die Blumen habe ich gegossen und Wasser, Gas und Strom abbestellt. Du kannst also, wenn ich dann weg bin, kannst du, wenn du willst, alles verkaufen.“
Offener Mund, Starren.
„Das Klo hab ich geschrubbt und sogar dem Typ von unten in die Blumenkästen gepisst, weil ich es dir sauber übergeben wollte. Außerdem ... außerdem habe ich ... alles ausgestellt, damit kein Unglück passiert“, stammelte ich und dabei richtete ich den Revolver haargenau auf Nathan. „Jetzt verpiss dich. Ich will ENDLICH sterben dürfen, klar?“
Nathan schluckte, starrte mich an, die Pistole, das Zeug in seinen Händen und setzte sich allmählich in Bewegung. Langsam, ganz langsam ging er an mir vorbei und ich merkte, dass er den Atem anhielt. Ha! War mir nur recht. Ich wollte jetzt meinen Schlussstrich, damit ich auf einer Wolke sitzen und den Irren hier unten zugucken konnte, wie sie sich gegenseitig wehtaten.
Die Wohnungstür schlug zu. Ich guckte zum Wohnzimmer, aber – ganz plötzlich – war es mir piepegal, wo ich starb. Es sollte nur endlich losgehen. Ich stand mitten im Flur, nirgendwo Folie, trotzdem hob ich den Revolver und setzte ihn an meine Schläfe. Der Finger am Abzug zitterte und – wie aus dem Nichts – kamen jetzt Bedenken. Was, wenn die Pflanzen nicht ausreichend Wasser hatten? War das Klo wirklich sauber? IST die Kaffeemaschine tatsächlich aus oder hatte sie mich nur getäuscht? Langsam sank die Hand herunter …
Nach einem prüfenden Rundgang war ich überzeugt, an alles gedacht zu haben. Ich kniete mich im Wohnzimmer auf die Folie, hob den Colt, der diesmal sehr schwer in meiner Hand lag, setzte an, zielte diesmal auf mein Ohr und zauderte …
Ich liebte Nathan und er hatte so recht. Ich war zu penibel und hatte mich gehen lassen, mich mehr um meine Marotten als um ihn gekümmert. Dabei war er doch wichtiger als die Wäsche- und Mülltrennung. Alles – einfach alles – wäre unwichtig, wenn er nur bei mir wäre.
Tränen kullerten mir über die Wangen und versammelten sich an meiner Kehle, um von dort aus zusammen nach unten zu laufen. Sie rannen über meine Brust, genau in der Mitte, und versickerten im T-Shirt. Ich hatte alles falsch gemacht und Nathan vertrieben. Gerade eben wieder, als er mir ein Friedensangebot gemacht hatte. Oh Gott, wie sollte ich nur ohne ihn weiterleben?
Entschlossen packte ich die Pistole fester,
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