Zehnmall Männerliebe
doch die Limousine hi n ter mir ist scharf auf deren Arsch. Anscheinend ist sie richtig heiß, denn sie krallt sich an einer spätgelben Ampel in das Hinterteil. Damit ist meine Fahrt vorbei, die Reparatur zu aufwendig. Doch ich habe die Rechnung ohne Stephano gemacht ...
Ich bekomme meinen Wagen gerade noch bei Spätgelb knapp hinter der Haltelinie zum St e hen. Was dann passiert, spielt sich wie in Zeitlupe ab. Ich beobachte im Rückspiegel, wie die Limous i ne, die schon die ganze Zeit viel zu nahe hinter mir fährt, nahezu ungebremst gegen mein Heck kracht und wappne mich gegen den Ruck, der mich nach vorn schleudert. Der altersschwache Gurt ächzt, hält aber zum Glück. Mein schmuckes Antlitz, durch Millionen Glasscherben veru n staltet, würde mich sehr – sehr – ärgerlich machen. Dennoch, allein die Ve r unstaltung meines geliebten Autochens ärgert mich auch.
Ich schüttle den Kopf ein paar Mal, bis ich die Benommenheit los bin, die durch den harten Au f prall in meinen Gliedern hängt. Dann springe ich aus dem Wagen und laufe nach hinten. Ein Kerl in piekfeinem A n zug steht mit in die Seiten gestemmten Händen da und glotzt auf die Stelle, wo sich unsere Autos, gleich einer fleischlichen Vereinigung, miteinander verw o ben haben. Seine Haltung sagt alles, seine Augen leider nichts.
Er trägt eine Sonnenbrille, was sein idiotisches Fahrverhalten erklärt, mir aber keine Bewe r tung seines Blickes erlaubt. Der Typ hat ein markantes Kinn und trägt einen Dreitagebart. Dazu eine gerade, schmale Nase und ein Paar Lippen, das auf meines perfekt passen wü r de. Woher ich das weiß? Augenmaß. Ich bin eben Grafiker, durch und durch, und jetzt w ü tend. Sehr wütend.
„Können Sie nicht gucken?“, fahre ich den Kerl an.
Der Mann hebt den Kopf und glotzt mich an, dabei verzieht er die Mundwinkel leicht nach hi n ten. Toller Trick, sollte ich mir merken, sieht sehr cool und abschätzend aus. Ich wette, dass er mich jetzt eing e hend mustert. Verdammte Sonnenbrille.
„Können Sie nicht fahren?“, fragt er zurück.
„ICH kann wenigstens rechtzeitig bremsen“, zische ich.
„Ach ja?“, antwortet der Typ und verschränkt die Arme vor der Brust. „Es war gerade mal gelb, da gibt man Gas und bremst nicht.“
„Es war SPÄTGELB!“, brülle ich, kochend vor Wut.
„Ah? Für mich sah es gelb aus“, erklärt der Arsch seelenruhig.
„Ich diskutiere nicht mit Ignoranten“, erkläre ich ironisch.
„Wer ist hier der Ignorant? Ich, der Farben erkennen kann oder Sie …? Sie Möchtegern-Hippie!“, donnert der Kerl unerwartet heftig.
Mir wehen fast die Haare von dem Luftzug, den seine Stimme erzeugt. Okaaay, ich trage rote Jeans, einen gelben Pulli und einen grünen Schal. Meine Haare sind länger als bei Männern ü b lich und ich lebe von der Hand in den Mund. Aber deshalb bin ich doch kein Hi p pie, oder?
„Spinner“, brumme ich, begutachte nochmals den Schaden und schaue dann seufzend auf die Schlange von Wagen, die sich hinter uns gebildet hat.
Ein Martinshorn erklingt, kurz darauf sind unsere Freunde und Helfer auch schon da. Es kommt zu unschönen Worten und hitzigen Disku s sionen, an deren Ende ich wieder mit dem Arschloch allein dastehe. Inzwischen sind unsere ramponierten Wagen auf den Bordstein geschoben wo r den und der Verkehr fließt weiter. Und nun?
Ich habe da einen Freund, dessen Cousin zweiten Grades jemanden kennt, der einen Ku m pel mit einer Autowerkstatt hat. Ob ich telefoni e ren sollte? Ich habe kein Geld. Die alte Karre habe ich mir vom Mund abgespart, eine Reparatur ist unerschwinglich. Jedenfalls für mich - was den A n zugtypen jedoch anbelangt, der telefoniert schon wichtig mit seinem iPhone.
„Ja, ich brauche einen Ersatzwagen“, sagt er gerade und mustert mich dabei.
Endlich hat der Vollpfosten die Brille abgenommen und ich kann seine Augenfarbe erkennen. Wahnsinn. Ein tiefes Schokobraun. Seine Ha a re sind fast schwarz und sehen so aus, als wenn sie sich gerne zerw u scheln lassen würden. Wenn dieser Kerl nicht gerade meine Karre zu Schrott … ich würde ihn bespringen. Ooookay, mich eher besteigen lassen, denn ich bin Bottom, durch und durch. Ich bin eine männliche Schlampe und ich stehe dazu. Dieser Typ mit der breiten Statur sieht aus, als wenn er es meiner Sorte so richtig gut besorgen könnte.
„Was ist mit Ihnen?“, fragt der Gegenstand meiner unartigen Phant a sien.
„Hä?“, mache ich und gucke ihn
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