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Zehntausend Fallen (German Edition)

Zehntausend Fallen (German Edition)

Titel: Zehntausend Fallen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Seibel
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war. Er hatte damals eine Bombe auf einem Schiff platziert, auf dem Annikas Kinder waren. Mit einem entsprechenden Foto hatte er Ellen dann unter Druck gesetzt. Hajos Gesicht bekam tatsächlich etwas Farbe.
    »Du gefährdest unseren Plan. Du riskierst, entdeckt zu werden. Du setzt alles aufs Spiel.«
    Ellen fand, dass sie Hajo genug gepiesackt hatte. Jetzt musste sie ihn wieder herunterholen, damit er sich nicht zu sehr aufregte. »Was ich getan habe, passt sehr wohl zu unserem Plan. Komm mit.«
    Ellen ging in den Technikr aum vor die Planungswand. Sie deutete auf den Meilenstein, auf dem der rote Punkt klebte. »Was steht hier?«
    »Unsichtbar werden in dreißig Sekunden«, las Hajo vor.
    »Richtig, nur wie kann ich wissen, ob ich diesen Meilenstein erreicht habe? Die dreißig Sekunden kann ich stoppen, aber ob ich unsichtbar geworden bin, nicht. Das muss ich aber wissen, bevor es ernst wird.«
    Ellen sah, wie es in Hajo arbeitete. Sie hatte ihn mit seiner eigenen Logik gefangen.
    »Und das weißt du jetzt?«, fragte er.
    »Klar. Wenn einen die eigene Schwester nicht erkennt ...« Ellen erzählte ihm von der Begegnung.
    Am Ende nickte Hajo beifällig. »Das Verschwinden war gut. Damit kann die Generalprobe als gelungen betrachtet werden. Trotzdem gefällt mir nicht, wie du dich da reinhängst. Persönliche Betroffenheit raubt die nüchterne Distanz, die für unseren Plan nötig ist. Das ist ein gefährlicher Unsicherheitsfaktor.«
    »So was magst du nicht, das ist mir klar, aber das lässt sich nicht ändern.« Ellen tippte mit ihrem Zeigefinger auf ihre Brust. »Ich bin ein Mensch mit Gefühlen und Betroffenheit.« Jetzt tippte sie auf Hajos Brust. »Du bist ein Computer auf zwei Beinen, für den Menschen nur Figuren in einem Spiel sind.«
    Hajos Blick verfinsterte sich. Er wusste zu genau, worauf Ellen hinaus wollte. Er hatte sie und viele andere in einem dramatischen Spiel zu seinem Vergnügen benutzt.
    Ellens Stimme wurde wieder sanfter. »Wir sind sehr verschieden – und das solltest du schätzen, gerade als Game-Entwickler. Du entwickelst doch nicht nur einen Charakter. Jedes Spiel hat höchst unterschiedliche Charaktere, sonst ist es langweilig, oder man kann gar nicht gewinnen.«
    Jetzt hatte sie ihn. Das war die Sprache, die er verstand.
    »Es ist gefährlich, mit dir zu diskutieren«, sagte er.
    »Tja, warum sollte nur einer von uns gefährlich sein?«, lächelte Ellen herausfordernd. »Das wäre doch auch langweilig.«
    Ellen wandte sich ab und ging in die Küche. »Bei der Gelegenheit habe ich eingekauft. Ich schulde dir noch eine Flasche Wein.«
    Ellen stellte eine Flasche Pasión de Bobal auf den Couchtisch, dazu einen Korb aufgeschnittenes Baguette und einen Teller mit verschiedenen Käsesorten.
    Hajo setzte sich in einen Sessel und sah zu, wie Ellen die Weingläser füllte. »Schön, dass du alle deine Schulden bezahlst. Ich habe dir das Leben und deine Freiheit gerettet. Da bin ich gespannt, wie du das bezahlen wirst.«
    Ellen hob ihr Glas. »Ganz einfach, indem ich dich nicht umbringe.«
    Ellen trank einen Schluck, ging dann mit dem Glas in der Hand zu einem Fenster und öffnete es. Hajo folgte ihr, blieb aber in zwei Metern Abstand stehen.
    »Wenn man nicht nach unten sieht, ist die Aussicht gar nicht mal schlecht«, sagte Ellen.
    »Ich interessiere mich nicht für Aussichten.«
    Ellen beugte sich vor und sah hinunter. Hinter sich hörte sie, wie Hajo die Luft anhielt.
    »Hast du etwa Höhenangst?«
    Hajo schwieg.
    Ellen setzte sich locker auf die Fensterbank und sah nochmals hinunter. »Das sind kaum mehr als zehn Meter.« Dabei beobachtete sie Hajo aus den Augenwinkeln.
    Hajo wurde eine Spur blasser, als er ohnehin schon war. »Lass das«, sagte er. »Ich mag so was nicht.«
    Er hatte tatsächlich Höhenangst, sogar sehr ausgeprägt. Gut zu wissen, fand Ellen. Eine weitere Schwäche ihres Erpressers. Das blieb er, auch wenn ihr das Wort »Partner« herausgerutscht war. Er besaß nach wie vor jede Menge kompromittierender Fotos und Videos von ihr, und die Drohung, sie bei Bedarf zu veröffentlichen, stand immer unausgesprochen im Raum. Das war ein offener Punkt auf Ellens persönlicher To-do-Liste. Sie hatte zwar noch keine Idee, wie sie diesen Punkt erledigen sollte, aber sie hatte das Gefühl , voranzukommen. Erstaunlich, was man mit der Zeit alles über einen anderen herausfand, selbst wenn der nichts sagte.
    Ellen rutschte wieder von der Fensterbank hinunter. »Dann ist es im Ernstfall wohl

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