Zehntausend Fallen (German Edition)
heute noch in Berlin sein. Besorgen Sie einen Flug, egal wie. Ich werde mich selbst darum kümmern. Melden Sie mich bei Boris an. Wir müssen zu diesen Instituten.«
25
»Das ist er.« Ellen überprüfte mit einem letzten Blick in den Spiegel den Sitz ihrer Perücke. Dann stieg sie aus dem Taxi, zupfte ihren Rock nach unten und ging auf den Mann zu, der gerade das bb -Biochex-Gebäude verließ. Professor Veritatis war hager und hatte volles, krauses Haar, das erste graue Strähnen aufwies. Durch Hajos Recherche wussten sie, dass Veritatis achtundvierzig Jahre alt war, zum zweiten Mal geschieden und ein Kind aus erster Ehe hatte. Er war jungen Frauen nicht abgeneigt, besonders Rothaarigen nicht.
Hajo beobachtete, wie Ellen auf ihn zuging. Sie machte es gut, obwohl sie hohe Absätze nicht gewohnt war. Der Rock war gerade so lang, dass er bei großzügiger Bewertung noch als seriös durchging, die langen roten Haare wehten leicht im Wind. Ellen hatte zunächst gezögert, sich so zurechtzumachen, aber die Bilder, die er ihr gezeigt hatte, hatten sie überzeugt. Beide Frauen von Veritatis hatten so ähnlich ausgesehen und mehrere Geliebte auch.
Ellen sprach Veritatis an und zeigte ihm etwas, einen Presseausweis der b . z ., den Hajo nur für diesen Zweck angefertigt hatte. Veritatis warf wie erwartet nur einen flüchtigen Blick darauf. Nach einer kurzen Diskussion deutete Ellen in die Richtung, in der das Steakhaus »Pikanto« lag. Veritatis nickte.
Hajo war zufrieden. Es lief alles wie vorausberechnet. Das Steakhaus hatten sie ausgewählt, weil Hajo den beiden nicht hätte folgen können, wenn das Interview im Biochex-Gebäude stattgefunden hätte. Es war immer wieder ein erhebendes Gefühl, mitzuerleben, wie seine Pläne funktionierten. Er hatte nie daran gezweifelt, dass Veritatis einwilligen würde, auch wenn das Interview unangemeldet war. Einer Frau abzusagen, die so aussah wie Ellen, dafür musste es schon schwerwiegende Gründe geben. Und wenn es dann noch um ein Interview mit der größten Abonnementzeitung in Berlin ging, gab es eigentlich keine Gründe mehr. Das Steakhaus war Veritatis sicher auch lieber als sein Labor. Vielleicht rechnete er sich sogar mehr als ein Interview aus.
Jetzt musste Hajo sich beeilen. Er parkte sein Taxi in einer Nebenstraße, packte seinen kleinen Aktenkoffer und ging ebenfalls in das Restaurant. Im seriösen grauen Anzug fiel er hier überhaupt nicht auf. Mit seinem grau melierten Haarteil und einer passenden Brille sah er aus wie ein Geschäftsmann auf Durchreise.
Ellen hatte, wie besprochen, einen Tisch in der Nähe der Toiletten gewählt. Sie hatte auch schon ein Wasser vor sich stehen und Veritatis ein Bier. Hajo nahm einen Tisch, von dem er sowohl Ellen als auch den Eingang gut im Blick hatte. Auf einem freien Stuhl platzierte er seinen Aktenkoffer so, dass die Kamera und das Mikrofon darin das Gespräch gut aufnehmen konnten. Durch den winzigen Lautsprecher in seinem Ohr verstand er mühelos jedes Wort und konnte sich ganz seinem alkoholfreien Bier widmen.
Ellen führte das Gespräch geschickt vom Small Talk zu den eigentlichen Themen hin, ohne Veritatis zu verschrecken. Sie war in allen gängigen Verhörtechniken geschult. Veritatis merkte nichts davon – bis er sich so weit in eine Sackgasse manövriert hatte, dass es kein Entkommen mehr gab.
»Wir wissen, dass die Analysen der Bodenproben gefälscht sind«, sagte Ellen jetzt geradeheraus.
Veritatis sagte nichts darauf, aber sein Blick in Richtung Ausgang zeigte deutlich, was er jetzt am liebsten tun würde. Der Traum von einem Date mit Ellen war schon lange geplatzt. In den nächsten Minuten versuchte er, sich aus der Falle herauszuwinden, in die Ellen ihn gelockt hatte. Er redete von den Ergebnissen der anderen Institute und rechnete Ellen vor, wie viel Arbeitsplätze er sicherte und dass er dafür die Aufträge benötigte, wie hart die Konkurrenz war und dass es sonst jemand anderes gemacht hätte. Ellen ließ ihn reden.
Hajo lachte leise. Auf seinem Fachgebiet mochte Veritatis eine Kapazität sein , und als Leiter des bedeutendsten Biotech-Instituts der Hauptstadt bekam er viel Anerkennung und wenig Kritik. In so einer Position hielt man sich leicht für unverwundbar, aber einer Ellen war er nicht gewachsen.
Bevor Veritatis seine Fluchtpläne in die Tat umsetzte, leitete Ellen die nächste Phase ein. »Vielleicht können wir die Öffentlichkeit draußen lassen.«
Veritatis sah überrascht auf. Ein
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