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Zehnter Dezember: Stories (German Edition)

Zehnter Dezember: Stories (German Edition)

Titel: Zehnter Dezember: Stories (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Saunders
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anderen Zahlen aufragen, und obwohl es Andy nicht gelungen ist, diese Zahlen in den Monaten seit Oktober erneut zu erzielen, wirft ihm das 1) keiner vor, diese Zahlen waren ja schon ein wahres Wunder, und 2) glaube ich, selbst wenn Andy diese Zahlen nie mehr erzielt, muss er doch tief in seinem Herzen die Erinnerung an jene großartige Energie bewahren, die er in jenem denkwürdigen Oktober ausstrahlte. Ganz ehrlich, ich glaube nicht, Andy hätte einen solchen Oktober hingelegt, wenn er auf kleiner Flamme vor sich hingeköchelt oder irgendwelche neurotischen Zweifel oder nachträglich krittelnden Tendenzen gehätschelt hätte, oder? Glaub ich einfach nicht. Andy wirkte total konzentriert, total neben sich, das konnte man auf seinem Gesicht lesen, vielleicht lag’s an dem neuen Baby? (Falls ja, dann sollte Janice jede Woche ein neues Baby kriegen, haha.)
    Wie dem auch sei, im Oktober wurde Andy Teil einer, also jedenfalls in meinen Augen, einer Art De-facto-Heldengalerie und ist dadurch ziemlich weitgehend von jeglicher wirklich strengen Überwachung seiner Zahlen befreit, jedenfalls was mich betrifft. Egal wie niedergeschlagen und irgendwie verschlossen er zuweilen sein kann (und ich denke, uns allen ist aufgefallen, dass er seit Oktober ziemlich niedergeschlagen und verschlossen ist), mich wird keiner dabei erwischen, wie ich streng seine Zahlen überwache, wobei ich freilich nicht für andere sprechen kann, andere könnten natürlich diesem besorgniserregenden Einbruch in Andys Zahlen nachgehen, obwohl ich wirklich hoffe, sie tun es nicht, das wäre nicht so fair, und glaubt mir, wenn mir etwas davon zu Ohren kommt, werde ich Andy auf jeden Fall davon in Kenntnis setzen, und falls Andy zu depressiv ist, um es aufzunehmen, rufe ich Janice zu Hause an.
    Und in Bezug auf warum Andy so niedergeschlagen ist? Ich würde darauf tippen, dass er neurotisch ist und seine Handlungsweise vom Oktober nachträglich kritisch betrachtet – und wow, wäre das nicht jammerschade, wäre das nicht ein totales No-Win, wenn Andy diesen Rekord-Oktober auf die Beine gestellt hätte und jetzt dasäße und rumheulte? Ändert dieses Rumgeheule vielleicht irgendetwas? Werden seine Handlungen in Bezug auf die Aufgaben, die ich ihm in Raum 6 übertragen hatte, von diesem Rumgeheule etwa ungeschehen gemacht, schrauben sich seine Zahlen an der Wand des Aufenthaltsraums etwa wundersamerweise nach unten, spazieren da plötzlich Leute aus Raum 6 heraus, die sich wie der rundherum wohlfühlen? Nun, wir alle wissen, sie tun es nicht. Keiner spaziert aus Raum 6 heraus und fühlt sich rundherum wohl. Selbst Ihr Jungs, die Ihr tut, was in Raum 6 getan werden muss, spaziert da nicht so supertopfit heraus, das weiß ich, auch ich habe ganz gewiss einiges in Raum 6 getan, wonach ich mich nicht gerade wunderbar fühlte, das könnt Ihr mir glauben, keiner würde leugnen, dass Raum 6 der Horror sein kann, wir leisten eine sehr schwere Arbeit. Aber die Leute über uns, die uns ihre Anweisungen erteilen, scheinen zu glauben, dass die Arbeit, die wir in Raum 6 verrichten, nicht nur schwer ist, sondern auch wichtig , und ich habe den Verdacht, dass sie aus diesem Grund neuerdings unsere Zahlen so streng überwachen. Und glaubt mir, wenn Ihr wollt, dass Raum 6 ein noch größerer Horror wird als ohnehin schon, dann jammert nur darüber, vorher, nachher und währenddessen, dann wird es Euch erst richtig ankot zen, plus, Eure Zahlen werden von all der Jammerei noch weiter in den Keller sacken, und wisst Ihr was: Das dürfen sie nicht. Beim Abteilungsmeeting ist mir unmissverständlich mitgeteilt worden, dass unsere Zahlen nicht weiter absacken dürfen. Ich habe gesagt (und das brauchte Mut, glaubt mir, bei der Stimmung, die auf dem Meeting herrschte): Hören Sie, meine Jungs sind müde, wir leisten hier Schwerstarbeit, körperlich wie psychisch. In diesem Moment war bei dem Meeting das Schweigen ohrenbetäubend, das könnt Ihr mir glauben. Wirklich ohrenbetäubend. Und die Blicke, die ich abgekriegt habe. Gar nicht gut. Hugh Blanchert höchstpersönlich hat mir unmissverständlich eingebläut, dass unsere Zahlen nicht weiter absacken dürfen. Ich wurde aufgefordert, Euch einzubläuen – uns, uns allen, auch mir –, dass, sollte es uns nicht gelingen, das uns zugeteilte »Regal« zu säubern, nicht nur jemand anders eingeschaltet würde, um dieses »Regal« zu säubern, sondern dass wir selbst uns auf diesem »Regal« wiederfinden könnten, dieses »Regal« sein

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