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Zehnter Dezember: Stories (German Edition)

Zehnter Dezember: Stories (German Edition)

Titel: Zehnter Dezember: Stories (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Saunders
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positiv. Eine positive Geisteshaltung wird Euch dabei helfen, das Regal gut und schnell zu säubern und dadurch Euer Ziel zu erreichen, nämlich bezahlt zu werden.
    Was will ich damit sagen? Will ich sagen, pfeift bei der Arbeit mal ein Liedchen? Vielleicht. Angenommen, wir müssten einen schweren Kadaver hochheben, einen toten Wal etwa. (Ich bitte um Nachsicht wegen der ganzen Regale und Wale, wir sind gerade aus unserem Haus auf Reston Island zurückgekommen, wo es 1) eine Menge schmutziger Regale gab und 2) ob Ihr’s glaubt oder nicht, einen echten toten, verwesenden Wal, und Timmy und Vance und ich bekamen damit zu tun, in puncto Aufräumarbeiten.) Also, angenommen, Ihr habt die Aufgabe, mit einigen Eurer Kollegen einen gewaltigen toten Walkadaver auf einen Sattelschlepper zu heben. Wir wissen wohl alle, dass das sehr schwer ist. Und mit einer negativen Einstellung wäre es noch schwerer. Wir, also Timmy, Vance und ich, haben herausgefunden, dass man selbst mit einer bloß neutralen Einstellung von einer sehr schweren Aufgabe sprechen muss. Wir versuchten, diesen Wal mit einer lediglich neutralen Einstellung anzuheben, Timmy, Vance und ich, zusammen mit einem Dutzend anderer Leute, und es war nichts zu machen, dieser Wal rührte sich keinen Millimeter, bis plötzlich ein Bursche, ein Ex-Marine, sagte, wir bräuchten jetzt erst mal eine Dosis Geist über Materie, und uns einen Kreis bilden ließ, und dann stimmten wir eine Art Gesang an. Wir haben uns »psychisch aufgebaut«. Wir wussten, um meine obige Analogie fortzuführen, dass wir einen Job zu erledigen hatten, und das brachte uns irgendwie in Erregung, und wir beschlossen, es mit einer positiven Geisteshaltung zu tun, und ich muss Euch sagen, da war was dran, es war toll, ganz toll, als dieser Wal sich in die Luft erhob, getragen von uns und von ein paar großen Gurten, die der Marine in seinem Van hatte, und ich muss gestehen, diesen toten, verwesenden Wal mit einer Gruppe total Fremder auf einen Sattelschlepper zu hieven, das war der Höhepunkt unserer Reise .
    Was will ich damit sagen? Ich will sagen (und sage es mit Inbrunst, weil es wichtig ist): Versuchen wir doch, so gut wir können, das Grummeln und die Selbstzweifel herunterzufahren, bezogen auf die Aufgaben, die wir hier manchmal zu bewältigen haben und die auf den ersten Blick vielleicht nicht immer so angenehm aussehen. Ich will sagen, versuchen wir, nicht alles und jedes, was wir tun, danach aufzudröseln, ob es letzten Endes moralisch gut/schlecht/neutral ist. Die Zeit dafür ist lange vorbei. Ich hoffe, dass jeder von uns vor ungefähr einem Jahr, als die ganze Sache losging, mit sich ins Gericht gegangen ist. Wir haben einen Weg eingeschlagen, und da wir nun, aus den allertriftigsten Gründen (wie letztes Jahr beschlossen), diesen Weg eingeschlagen haben, wäre es da nicht selbstmörderisch, unsere Fortschritte auf diesem Weg mit nachträglichem, neurotischem Kritisieren zu behindern? Hat einer von Euch schon mal einen Vorschlaghammer geschwungen? Einige von Euch ganz sicher, das weiß ich. Ich weiß es, von damals, als wir Ricks Veranda abgerissen haben. Ist es nicht toll, sich nicht zurückhalten zu müssen, sondern einfach draufzuschlagen, immer wieder, und sich von der Schwerkraft helfen zu lassen? Leute, ich will nur sagen, lasst Euch von der Schwerkraft helfen, hier, an Eurem Arbeitsplatz: Schlagt drauf, lasst den natürlichen Gefühlen freien Lauf, die bei so vielen von Euch, wie ich ab und zu schon sehen konnte, eine so großartige Energie freigesetzt haben, und erledigt die Euch gestellten Aufgaben mit Schwung und ohne nachträgliches Kritisieren und neurotische Gedanken. Wisst Ihr noch, wie Andy letzten Oktober in einer Woche alle Rekorde brach, als er seine übliche Menge Einheiten verdoppelte? Mal unabhängig von allem anderen, mal kurz abgesehen von all den Schluffi-Fluffi-Gedanken von richtig und falsch usw. usf., war das nicht ein Mordserlebnis? An und für sich? Ich glaube, wenn wir ganz tief in unser Innerstes schauen, waren wir da nicht alle ein bisschen neidisch? Meine Güte, er hat richtig draufgeschlagen, und man konnte energiestrotzende Freude auf seinem Gesicht sehen, jedes Mal, wenn er an uns vorbeirannte, um frische Handtücher zum Aufwischen zu holen. Und wir standen alle bloß da, so, Andy, wow, was ist denn in dich gefahren? Und keiner kann was gegen seine Zahlen sagen. Die stehen drüben im Aufenthaltsraum, jeder kann sie sehen, wie sie turmhoch über allen

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