Zehnter Dezember: Stories (German Edition)
einem anderen Planeten? Auf Droge? Auf Droge bei einem Antidrogen-Event? Hatte Donfrey ihn gerade Ed genannt?
Donfrey konnte ihn mal. Dieser Heuchler. Dieser Snob. Das hatte er vergessen. Er hatte vergessen, dass Donfrey ein snobistischer Heuchler war. Damals, als die Donfreys in die »Gute alte Zeit« gekommen waren, hatten sie sich auf der Stelle umgedreht und waren wieder rausgelaufen, als hätten sie Roostens Vintage-Sammlerstücke zu staubig und für das Haus der Donfreys unpassend gefunden, das eine buchstäbliche Villa auf dem Hügel war. Und Donfreys Frau war gar nicht wunderschön, wie sich Roosten mit einem Mal ganz ehrlich eingestand; sie war bleich. Eine bleiche, hochnäsige Bohnenstange. Und was Donfreys Kinder betraf – wenn das seine Kinder wären? Er würde sie ein bisschen durchrütteln. Sie vielleicht mal entelfen. Waren das Mädchen oder Jungen? Konnte man wirklich nicht sagen.
Er hatte selber keine Kinder. Nie verheiratet gewesen. Aber die Jungs hatte er. Die Jungs waren seine Neffen. Die Jungs waren keine Elfen. Alles andere als das. Die Jungs waren, was immer das Gegenteil von Elfen war. Trolle? Trampel? Nein, die Jungs waren super. Die Jungs waren Jungs durch und durch. Und wie. Womöglich zu sehr. Warum seine Schwester Mag sie unbedingt zu »Billichschnitt« schleppen musste, wo sie mit »Billichschnitt«-Frisuren aussahen wie drei bullige Versionen desselben komischen germanischen Mondgesichts mit quer rübergeschnittenem Pony, keine Ahnung. Jeden Abend lief im Keller ein Grunz-und-Ringkampf-Turnier, bei dem sie sich Siffknochen oder FurzSchluckThor riefen, bis einer von ihnen mit seinem runden Schädel gegen irgendwas Metallenes gerammt war, dann hievten sie den Verletzten nach oben, und die Tränen liefen ihnen über die ringkampfgeröteten Backen, als wären sie drei plötzlich reumütige Nazis –
Keine Nazis. Hilfe. Deutsche. Energische germanische Burschen aus der Vorkriegszeit. Gesunde junge Beethovens. Obwohl, apropos Beethoven, ob der wohl je mit bloßen Händen eine Gebetbuchstütze von der Kirchenbank gerupft hatte, weil ein zweiter Beethoven ihn dazu provoziert hatte, während ein dritter Beethoven stolz vier eng gerollte Popeltürme auf einem Gesangbuch präsentierte, die er frisch –
Die Scheidung war’s. Die Scheidung hatte die Jungs wild gemacht. Schade um Mag. Auf der Highschool war Al der beliebte Ringer gewesen und Mag die stämmige Kleine in Leben-mit-Christus, die total in Christus verknallt war. Sie hatten auf dem Hof der Eltern gelebt. Aber irgendwie war dann nur aus Mag eine Bäuerin geworden. Mit siebzehn hatte sie sich mit Ken Glenn eingelassen, der genauso landwirtschaftlich orientiert war und tellergroße Ohren hatte. Damals wurden Witze über Mag und Ken gerissen, dass sie im Overall heiraten würden. Oder in einer Kirche voller Vieh. Wenn es je eine Ehe gab, die man für dauerhaft gehalten hätte, dann diese: zwei unansehnliche christliche Bauern. Aber von wegen, Ken hatte Mag verlassen, für eine andere bäurische –
Mag war nicht unansehnlich. Sie war schlicht, sie hatte eine einfache, erdige –
Sie sah gut aus. Eine gutaussehende Frau. Sie – alles war da, wo es sein sollte. Sie hatte ein ansprechendes Auftreten. Außer wenn sie die Jungs zusammenbrüllte. Dann wurde ihr Gesicht zu einer roten verzerrten Maske. Dann sah man ihre Frustration darüber, dass sie die einzige geschiedene Frau in ihrer extrem strengen Kirche war, und wie peinlich es ihr war, dass sie bei ihrem Bruder hatte einziehen müssen, und ihre Sorge, dass sie, falls er den Laden verlor (was mittlerweile fast sicher war), ihre Ausbildung abbrechen und sich einen dritten Job würde suchen müssen. Gestern Abend hatte er sie nach ihrer Schicht bei »Costco « am Küchentisch gefunden, wo sie über ihrem Krankenpflege-Lehrbuch eingeschlafen war. Krankenpflegerin mit fünfundvierzig. Das war ein Witz. Er fand das lachhaft. Obwohl, er fand es gar nicht lachhaft. Er fand es bewundernswert. Ein Snob wie Donfrey würde es vielleicht lachhaft finden. Ein Snob wie Donfrey würde Mag und ihre schlabberige Krankenschwesternuniform nur kurz mustern und seine verwöhnten Elfen sofort in ihre prächtige Donfrey-Villa zurückscheuchen, die neulich in der Lifestyle-Rubrik der –
Ach, Villa Schmilla. Hatte Gandhis Haus das größte Freiluft-Trampolin der drei umliegenden Staaten? Hatte Jesus eine Achttausend-Quadratmeter-Rennbahn mit Fernbedienung, maßstabgetreuen Bergen und einem kleinen Dorf,
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