Zehnter Dezember: Stories (German Edition)
Muss jetzt, wenn gewaschen wird, vorübergehend wieder ins Wasser.)
Wann werde ich genug Freizeit/Geld haben, um auf Heuballen sitzen und in aufgehenden Mond schauen zu können, während Familie in Luxusvilla schläft? Hätte dann Gelegenheit zu tiefschürfenden Gedanken über Sinn des Lebens usw. usf. Hab so ein Gefühl, schon immer gehabt, dass das irgend wann für uns so kommen wird, diese und andere gute Sachen!
6. Sept.
Heute Geburtstagsparty bei Lillys Freundin Leslie Torrini zu Hause: total depri.
Haus = Herrenhaus, wo Lafayette mal übernachtet hat. Torrinis zeigten uns Lafayettes Zimmer: jetzt ihr »Spielzimmer«. Plasmafernseher, Flipper, Fußmassagegerät. Über zwölf Hektar, sechs Außengebäude (so nennen sie die, »Außengebäude«): eins für Ferraris (drei), eins für Porsches (zwei plus einen dritten, den er gerade überholt), eins für historisches Karussell, das sie gerade als Familienprojekt (!) restaurieren. Rote orientalische Brücke, aus China eingeflogen, über Bach voller Forellen. Hat uns da drauf Hufabdruck von irgendeiner Dynastie gezeigt. Im vorderen Raum, beim Steinway, stand Gipsabdruck von Hufabdruck aus noch früherer Dynastie, auf Holz von anderer Brücke. Picasso-Autogramm, Disney-Autogramm, Kleid, das Greta Garbo mal anhatte, alles in massivem Mahagoni-Schrank ausgestellt.
Gemüsebeete von Burschen namens Karl gepflegt.
Lilly: Wow, diese Beete sind größer als unser ganzer Garten.
Blumenbeete von anderem Burschen gepflegt, komischerweise auch ein Karl.
Lilly: Würdest du nicht auch wahnsinnig gern hier wohnen?
Ich: Lilly, haha, sag doch so was äh …
Pam (meine Frau, sehr lieb, Liebe meines Lebens!): Was, was sagt sie denn Falsches? Würdest du etwa nicht wahn sinnig gern hier wohnen? Also ich schon.
Vor Haus, auf weiter Rasenfläche, größtes SG -Arrangement, das ich je gesehen habe, alle in Weiß, weiße Gewänder wehten im Wind, und Lilly sagt: Dürfen wir da näher ran?
Freundin Leslie: Dürfen wir, tun wir aber normalerweise nicht.
Leslies Mutter, in indonesischem Sarong: Tun wir nicht, da wir es schon oft getan haben, aber vielleicht möchtest du näher ran, Liebes? Vielleicht ist das alles sehr neu und aufregend für dich?
Lilly, scheu: Ja, ist es.
Leslies Mom: Bitte, dann geh hin, viel Spaß.
Lilly rennt los.
Leslies Mom, zu Eva: Und du, Liebes?
Eva steht schüchtern an mein Bein gelehnt und schüttelt Kopf.
Genau da erscheint Vater (Emmett) mit frisch gestrichenem Bein von Karussellpferd und sagt, Zeit zum Abendessen, hoffentlich mögen Sie fangfrischen Fächerfisch, aus Guatemala eingeflogen, angerichtet mit einem seltenen Gewürz, das es nur in einer winzigen Region Myanmars gibt und das nur mit Bakschisch exportiert werden konnte, außerdem musste er für Fächerfisch spezielle Frischhaltebox entwerfen und bauen.
Die Kinder können später im Baumhaus essen, sagt Leslies Mom. Wir haben extra Tischsets gekauft. Früher hatten wir russische, aus unserer Zeit in Russland. Sehr hübsch, aber etwas abgegriffen. Die Kerzenhalter waren auch antik. Also antik im Sinne von Romanow-antik.
Und letzte Woche haben wir da oben endlich auch Kabelanschluss hinlegen lassen, sagt Emmett.
Er zeigt auf Baumhaus, das im viktorianischen Stil angestrichen ist, Giebeldach hat und rausguckendes Teleskop und, ja, sieht nach Solarpaneel aus.
Thomas: Wow, dieses Baumhaus ist sachichma doppelt so groß wie unser Haus zu Hause.
Pam (flüsternd): Sag nicht »sachichma«.
Ich: Ach, haha, lass ihn doch sagen, was er will, wir wollen nicht –
Thomas: Dieses Baumhaus ist doppelt so groß wie unser Haus zu Hause.
(Thomas übertreibt, wie immer: Baumhaus ist nicht doppelt so groß wie unser Haus. Eher so ein Drittel von unserem Haus. Aber schon: großes Baumhaus.)
Unser Geschenk nicht das allerschlimmste. Zwar vielleicht das allerbilligste (jemand brachte einen Mini- DVD -Player mit, jemand eine Locke von einer echten Mumie (!)), aber meiner Meinung war unseres das liebevollste Geschenk. Weil Leslie (die über die Mumienlocke enttäuscht wirkte und das auch sagte, weil sie schon eine hatte (!)), wie mir schien, von der Schlichtheit unseres Papierpuppensets berührt war. Und obwohl wir es beim Kauf nicht als Kitsch empfanden, dachte ich, als Leslies Mom sagte, Les, guck mal hier, ist das vielleicht kitschig, großartig, oder? – da dachte ich, ja, gut, vielleicht ist es kitschig, vielleicht mit Absicht. Wie dem auch sei, das dämpfte den Schlag des nächsten Geschenkes,
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