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Zehnter Dezember: Stories (German Edition)

Zehnter Dezember: Stories (German Edition)

Titel: Zehnter Dezember: Stories (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Saunders
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Laden: sich Wege ausdenken, wie man ihn verbessern, halbwegs ordentlich machen, wieder zum Leben erwecken konnte. Er würde einen Cafétresen einbauen. Den alten fleckigen Teppich rausreißen. Da, schon ging es ihm besser. Man brauchte Freude im Leben. Freude gab einem Schwung. Sobald er den Laden wieder in Gang hätte, würde er weitermachen, ihn großartig machen. Wenn er morgens ankäme, würden ihn lange Schlangen vor der Tür erwarten. Und während er sich im Geist durch die Menschenmenge schob, schien ihn jeder lächelnd und schulterklopfend zu fragen, ob er sich vorstellen könne, für das Bürgermeisteramt zu kandidieren? Ob er dasselbe für die Stadt tun würde, was er für die »Gute alte Zeit« getan hatte? Haha, das würde ein großer Spaß, für das Bürgermeisteramt zu kandidieren. Welche Farben würden seine Plakate bekommen? Was war sein Slogan?
    AL ROOSTEN, ALLEN EIN FREUND.
    Das war gut.
    AL ROOSTEN, DER BESTE VON UNS.
    Bisschen eitel.
    AL ROOSTEN: WIE DU, NUR BESSER.
    Haha.
    Hier war der Laden. Keiner wartete darauf, eingelassen zu werden. Eine verdreckte Plane war vom Schrottplatz herübergeweht worden und hing vor dem Fenster. Gegenüber vom Schrottplatz war das Viadukt, wo die Penner hausten. Diese Penner ruinierten ihm sein –
    Er glaubte, sie nannten sich lieber »Obdachlose«. Hatte er das nicht gelesen? Weil »Penner« abwertend war? Himmel, wie dreist. Da arbeitet ein Kerl nicht einen Tag in seinem Leben, läuft bloß rum und klaut anderen die Wurst vom Brot, und dann jault er rum, von wegen seine Rechte? Er würde gern mal zu einem Obdachlosen gehen und ihn einen Penner nennen. Das würde er machen, jawohl, er würde den verdammten Penner am Kragen packen und sagen, Hey, du Penner, du ruinierst mir das Geschäft. Ich kann jetzt schon zum dritten Mal hintereinander meine Miete nicht bezahlen. Geh doch zurück ins Ausland, wo du wahrscheinlich –
    Er hasste diese Bettler, ehrlich, die mit ihren plumpen Schildern an seinem Laden vorbeiliefen. Hätten sie nicht wenigstens richtig buchstabieren können? Gestern war einer mit einem Schild vorbeigelaufen, auf dem stand, BITTE HILFE ODACHLOS . Er hatte Lust gehabt zu rufen, Hey, tut mir leid, dass du odachlos bist! Die verbrachten doch genug Zeit da unter ihrem Viadukt, konnten sie nicht wenigstens Korrektur lesen, bevor sie –
    Als er das Auto parkte, wurde sein Geist plötzlich merkwürdig leer. Wo war er? Am Laden. Uff. Wo war sein Schlüssel? An derselben alten hässlichen Kordel, unmöglich, die aus der Tasche zu zerren.
    Himmel, er ertrug den Gedanken nicht, da jetzt reinzugehen.
    Er würde den ganzen Nachmittag allein da drinnen hocken. Warum musste er das tun? Für was? Für wen?
    Mag. Mag und die Jungs zählten auf ihn.
    Er saß einen Moment da und holte tief Luft.
    Ein alter Mann in dreckstarrenden Kleidern taumelte die Straße entlang, er zerrte ein Stück Pappe hinter sich her, auf dem er ganz bestimmt schlief. Seine Zähne waren schaurig, seine Augen feucht und rot. Roosten stellte sich vor, wie er aus dem Auto sprang, den Mann zu Boden schlug und immer wieder trat, ihm auf diese Weise also eine wertvolle Lektion erteilte, wie er sich zu benehmen hatte.
    Der Mann lächelte Roosten schwach an, und Roosten erwiderte das Lächeln schwach.

DIE SEMPLICA-GIRL-TAGEBÜCHER
    3. September
    Habe mir das Großprojekt vorgenommen, wo ich grad 40 geworden bin, dass ich jeden Tag in dieses neue schwarze Buch schreiben will, das ich mir eben bei BüroMax geholt habe. Aufregender Gedanke, dass ich in einem Jahr, bei einer Seite pro Tag, 365 Seiten geschrieben haben werde, was für ein Bild von unserem Leben und unseren Zeiten für Kinder & Enkel, sogar Urenkel, egal, jeder darf sehr gern (!) sehen, wie das Leben wirklich war/jetzt ist. Was wissen wir schon wirklich von anderen Zeiten? Wie Kleider rochen und Kutschen klangen? Werden Menschen der Zukunft zum Beispiel noch wissen, wie sich nachts über uns hinwegfliegende Flugzeuge anhörten, von wegen Flugzeuge bis dahin passé? Werden Menschen der Zukunft wissen, dass Katzen manchmal nachts kämpften? Weil bis dahin irgendwas Chemisches erfunden, dass Katzen nicht mehr kämpfen? Letzte Nacht geträumt von zwei Dämonen bei wildestem Sex und festgestellt, bloß zwei kämpfende Katzen draußen vorm Fenster. Werden Menschen der Zukunft eine Vorstellung von »Dämonen« haben? Werden sie unseren Glauben an »Dämonen« putzig finden? Wird es überhaupt noch »Fenster« geben? Interessant für

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