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Zehnter Dezember: Stories (German Edition)

Zehnter Dezember: Stories (German Edition)

Titel: Zehnter Dezember: Stories (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Saunders
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und es wird spät, und morgen ist Montag, also Arbeit.
    Arbeit Arbeit Arbeit. Dumme Arbeit. Bin Arbeit so leid.
    Gute Nacht.
    7. Sept.
    Hab gerade letzten Eintrag gelesen und sollte das erklären.
    Bin Arbeit nicht leid. Arbeiten ist Privileg. Ich hasse die Reichen nicht. Ich strebe selbst an, reich zu sein. Und wenn wir endlich wirklich eigene Brücke, Forelle, Baumhaus, SG s usw. bekommen, werden wir zumindest wissen, dass wir sie uns selbst verdient haben, anders als beispielsweise die Torrinis, die bestimmt Geld in der Familie haben, sagt mir mein Gefühl.
    Heute war in der Mittagspause bei der Arbeit der »Heiße Herbst«. Wir gingen alle runter, da strömten ungefähr tausend Leute raus. Kleines Trio spielte. Jemand hatte Miniwimpel in Orange und Gelb verteilt, mit HH -Stempeln, die bald den ganzen Boden bedeckten. Durch den Hof läuft ein Pseudofluss, und viele Arschlöcher hatten ihre Miniwimpel in Pseudofluss geschmissen. Filter an einem Ende bald verstopft von Miniwimpeln, ein Wartungsmonteur, dem ein paar Wimpel aus der Arschtasche ragten, lief mürrisch rum und versuchte, mit Zollstock Miniwimpel aus Filter zu klauben.
    Wie immer wurden so flache kleine trockene Sandwiches serviert. Bis unsere Gruppe unten war, lagen schon viele davon um den Tisch herum, mit Fußspuren drauf.
    Ließen uns auf Grünstreifen fallen und aßen schnell.
    Dachte an Eva, als ich da saß. So ein Schatz. Fand sie gestern Abend nach Party traurig in ihrem Zimmer. Fragte sie warum. Sie sagte, wegen nichts. Aber auf Malblock: Buntstiftebild mit einer Reihe trauriger SG s. Konnte sehen, dass sie traurig sein sollten, weil die bekümmerten Mundwinkel von den Gesichtern runterhingen wie Schnauzbärte und Tränen im hohen Bogen fielen, und wo sie auf Boden trafen, sprossen Blumen raus. Notiz an mich selbst: mit ihr reden, erklären, dass es nicht wehtut, dass SG s nicht traurig sind, sondern sogar glücklich, wenn man bedenkt, wie es ihnen vorher ging: dass sie sich das ausgesucht haben und froh sind usw.
    Sehr bewegende Sendung auf NPR über ein SG aus Bangladesch, das Geld nach Hause schickt: So konnten Eltern kleine Hütte bauen. (Notiz an mich selbst: Online finden, downloaden, Eva vorspielen. Zuerst Computer reparieren. Computer superlangsam. Wegen niedriger Speicherleistung? Vielleicht »Zirkusloser« löschen? Akrobaten springen alle verzerrt rum, wegen niedriger Speicherleistung + Elefanten hüpfen nicht = kein Spaß.)
    Bald war’s eins, wir mussten wieder an die Arbeit. Im Fahrstuhl hatten einige von uns noch unsere kleinen trockenen Sandwiches in der Hand, standen da, alles rotgesichtige Männer mit Schlips, witzelten über Herbst jetzt heiß genug, Heißer Herbst fertig geheizt usw. usf. Dann peinliches Schweigen, als wir im Geist wiederholten, was wir gerade in hitziger Begeisterung gesagt hatten, als wollten wir ersten Preis für dümmsten Spruch machen.
    Dann kurzer Moment, wo wir alle heimlich hoch zur verspiegelten Decke des Fahrstuhls lugten, nach kahlen Stellen spähten usw. usf., um zu gucken, wie wir »von oben« aussahen.
    Anders sagte: Bestimmt seh ich aus Vogelperspektive ziemlich komisch aus.
    Keiner lachte, alle machten Platzhaltergeräusch für Lachen, damit sich Anders nicht schlecht fühlte, wo doch seine Mutter vor kurzem gestorben war.
    8. Sept.
    Grad von langem Spaziergang durch Woodcliffe zurück.
    Da sitzen überall Männer meines Alters in großen Sesseln unter vermögenden orangen Lampen und lesen. Wo ist mein Sessel? Meine orange Lampe? Kein großer Sessel, keine vermögenden Lampen, kein Raum voller Bücher. Warum sind Bilder an unseren Wänden so lasch? Wir haben bloß eine Abbildung von Oldtimern von Target und eine von irgendeinem unspezifischen Strand inkl. Riesenrad vom Straßentrödel. Was machen wir falsch? Wo bleibt unsere teure, ge rahmte, vom Künstler signierte Originalkunst? (Notiz an mich selbst: Mit jungem Künstler anfreunden? Junger Künstler kommt ins Haus, ist beeindruckt von Familie, malt Familienporträt gratis? Immer noch teuer zu rahmen. Vielleicht ist Künstler so beeindruckt von Familie, dass er es selber rahmt, also Rahmen = Teil des Geschenks?) In Woodcliffe alles üppig. Wunderschöne Blumenbeete, nächtlicher Geruch von Zedernmulch, Motorboote auf Rasen im Mondschein. Hinter großem Haus mit Türmchen Ecke Longfellow und Purdy Way abfallender Garten, ungefähr 200 Meter lang perfekter Rasen. Da hingen im Dunkeln fünfzehn (hab nachgezählt) stumme SG s, weiße Gewänder im

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