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Zehnter Dezember: Stories (German Edition)

Zehnter Dezember: Stories (German Edition)

Titel: Zehnter Dezember: Stories (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Saunders
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einem Ort wäre ich bereit zu arbeiten.«
    »Gibt nicht viele Orte von der Sorte«, sagte Ma.
    »Orte, wo ich reden kann, wie ich Lust habe?«, fragte Harris. »Oder Orte, die mich so akzeptieren, wie ich bin?«
    »Orte, an denen du bereit wärst zu arbeiten«, sagte Ma.
    »Wie lang bleibt der?«, fragte Harris.
    »So lang er will«, sagte Ma.
    »Mein Haus ist dein Haus«, sagte Harris zu mir.
    »Es ist überhaupt nicht dein Haus«, sagte Ma.
    »Gib dem Jungen wenigstens was zu essen«, sagte Harris.
    »Mach ich, aber nicht, weil du’s gesagt hast«, sagte Ma und scheuchte uns aus der Küche.
    »Großartige Braut«, sagte Harris. »Hatte sie schon seit Jahren im Auge. Dann ist Alberto abgehauen. Das kapier ich nicht. Da hast du eine großartige Braut in deinem Leben, und wenn sie krank wird, haust du ab?«
    »Ma ist krank?«, fragte ich.
    »Das hat sie dir nicht gesagt?«, fragte er.
    Er schnitt ein Gesicht, ballte die Faust und hielt sie oben an seinen Kopf.
    »Geschwulst«, sagte er. »Aber das hast du nicht von mir.«
    Jetzt sang Ma in der Küche.
    »Ich hoffe, du machst wenigstens Bacon«, rief Harris. »Wenn der Sohn nach Hause kommt, hat er ne Runde Bacon verdient, Scheiße.«
    »Halt dich doch einfach raus«, rief Ma zurück. »Du hast ihn gerade erst kennengelernt.«
    »Ich liebe ihn wie meinen eigenen Sohn«, sagte Harris.
    »Was für ein lächerlicher Spruch«, sagte Ma. »Du hasst deinen Sohn.«
    »Ich hasse meine beiden Söhne«, sagte Harris.
    »Und du würdest deine Tochter hassen. Falls du ihr je begegnest«, sagte Ma.
    Harris strahlte, als wäre er ganz gerührt, dass Ma ihn gut genug kannte, um zu wissen, er würde jedes von ihm gezeugte Kind unweigerlich hassen.
    Ma kam mit Bacon und Eiern auf einer Untertasse herein.
    »Könnte ein Haar drin sein«, sagte sie. »In letzter Zeit komm ich mir vor, als wär ich in der Piepmauser.«
    »Gern geschehen«, sagte Harris.
    »Du hast doch keinen Piep gemacht!«, sagte Ma. »Brauchst dich gar nicht zu brüsten. Geh da rein und spül das Geschirr. Das wäre mal eine Hilfe.«
    »Ich kann nicht spülen, das weißt du genau«, sagte Harris. »Von wegen meinem Ausschlag.«
    »Er kriegt einen Ausschlag von Wasser«, sagte Ma. »Frag ihn mal, warum er nicht abtrocknen kann.«
    »Von wegen meinem Rücken«, sagte Harris.
    »Er ist der König des Von-wegen«, sagte Ma. »Aber eins ist er nicht, nämlich der König des Wird-Erledigt.«
    »Sobald der weg ist, zeig ich dir, wovon ich König bin«, sagte Harris.
    »O Harris, das ist zu viel, das ist wirklich ekelhaft«, sagte Ma.
    Harris hob beide Hände über den Kopf, so: Sieger und auch noch Champion.
    »Wir bringen dich in deinem alten Zimmer unter«, sagte Ma.
    2.
    Auf meinem Bett lagen ein Jagdbogen und ein violettes Halloween-Cape mit eingebautem Gespenstergesicht.
    »Der Piep da ist von Harris«, sagte Ma.
    »Ma«, sagte ich. »Harris hat es mir gesagt.«
    Ich ballte meine Hand zur Faust und hielt sie mir oben an den Kopf.
    Sie warf mir einen verständnislosen Blick zu.
    »Vielleicht hab ich ihn bloß nicht richtig verstanden«, sagte ich. »Geschwulst? Er sagte, du hättest eine –«
    »Vielleicht ist er bloß ein großer Pieplügner«, sagte sie. »Er denkt sich ständig irgendwelchen verrückten Piep über mich aus. Das ist so sein Hobby. Dem Postboten hat er erzählt, ich hätte ein falsches Bein. Eileen im Deli hat er gesagt, ich hätte ein Glasauge. Im Haushaltswarenladen hat er behauptet, ich würde Ohnmachtsanfälle kriegen und Schaum vorm Mund, wenn ich mich aufrege. Jetzt beeilt sich der Typ jedes Mal, mich so schnell wie möglich wieder rauszukriegen.«
    Um zu zeigen, wie gut es ihr ging, machte Ma einen Hampelmann.
    Harris trampelte nach oben.
    »Ich sag ihm nicht, dass du das mit der Geschwulst verraten hast«, sagte Ma. »Und du sagst ihm nicht, dass ich dir verraten habe, dass er ein Lügner ist.«
    Jetzt kam es mir wieder so vor wie in den guten alten Zeiten.
    »Ma«, sagte ich, »wo wohnen eigentlich Renee und Ryan?«
    »Äh«, sagte Ma.
    »Die haben eine süße Wohnung drüben«, sagte Harris. »Und schwimmen im Geld.«
    »Ich weiß nicht, ob das die beste Idee ist«, sagte Ma.
    »Deine Ma hält Ryan für einen Schläger«, sagte Harris.
    »Ryan ist ein Schläger«, sagte Ma. »Einen Schläger erkenne ich sofort.«
    »Er schlägt?«, fragte ich. »Er schlägt Renee?«
    »Das hast du nicht von mir«, sagte Ma.
    »Der soll sich bloß hüten, das Baby zu schlagen«, sagte Harris. »Martney, so

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