Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zehnter Dezember: Stories (German Edition)

Zehnter Dezember: Stories (German Edition)

Titel: Zehnter Dezember: Stories (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Saunders
Vom Netzwerk:
süß und klein. Echt supergoldig.«
    »Obwohl, was soll das fürn Piepname sein?«, sagte Ma. »Hab ich Renee gesagt. Genau so.«
    »Ist das ein Jungen- oder ein Mädchenname?«, fragte Harris.
    »Was redstn du für einen Piep?«, sagte Ma. »Du hast es doch gesehen. Im Arm gehalten.«
    »Sieht wie ein Elf aus«, sagte Harris.
    »Aber Mädchenelf oder Jungenelf?«, sagte Ma. »Guck dir das an. Er weiß es wirklich nicht.«
    »Na ja, es hatte was Grünes an«, sagte Harris. »Das hilft mir schon mal nicht.«
    »Denk nach«, sagte Ma. »Was haben wir ihm gekauft?«
    »Du meinst, ich müsste Junge und Mädchen auseinanderhalten können«, sagte Harris. »Wo es mein Enkel ist, verdammt.«
    »Ist ja gar nicht dein Enkel«, sagte Ma. »Wir haben ihm ein Boot gekauft.«
    »Boot geht für Jungen und für Mädchen«, sagte Harris. »Nur keine Vorurteile. Mädchen können ein Boot lieben. So wie ein Junge eine Puppe lieben kann. Oder einen BH .«
    »Tja, aber wir haben ihm keine Puppe gekauft und auch keinen BH «, sagte Ma. »Wir haben ihm ein Boot gekauft.«
    Ich ging nach unten und holte mir das Telefonbuch. Renee und Ryan wohnten drüben in der Lincoln. Lincoln 27.
    3.
    Lincoln 27, das war im guten Teil vom Zentrum.
    Das Haus, unglaublich. Die Türmchen. Das hintere Tor war aus Redwood und öffnete sich so weich, als wären die Angeln hydraulisch.
    Der Garten, unglaublich.
    Ich hockte mich ins Gebüsch vor die mit Fliegengitter geschützte Veranda. Drinnen unterhielten sich Leute: Renee, Ryan, Ryans Eltern, wie es sich anhörte. Ryans Eltern hatten sonore/selbstbewusste Stimmen, die klangen, als wären sie durch plötzliche Geldzufuhr aus früheren, weniger sonoren/selbstbewussten Stimmen fabriziert worden.
    »Über Lon Brewster kannst du sagen, was du willst«, sagte Ryans Dad. »Aber damals, als ich einen Platten hatte, ist er bis nach Feldspar rausgefahren und hat mich geholt.«
    »In dieser unmöglichen Gluthitze«, sagte Ryans Mom.
    »Und kein Wort der Klage«, sagte Ryans Dad. »Ein absolut reizender Mensch.«
    »Fast so reizend – sagst du jedenfalls – wie die Flemings«, sagte sie.
    »Und die Flemings sind wirklich furchtbar reizend«, sagte er.
    »Und sie tun so viel Gutes!«, sagte sie. »Ein Flugzeug voller Babys haben sie hier rübergeflogen.«
    »Russische Babys«, sagte er, »mit Hasenscharten.«
    »Gleich nach der Ankunft wurden die Babys in OP -Säle im ganzen Land gebracht«, sagte sie. »Und wer hat das bezahlt?«
    »Die Flemings«, sagte er.
    »Haben sie nicht auch einiges Geld für das Studium beiseitegelegt?«, sagte sie. »Für die Russen?«
    »Diese Kinder waren eben noch Behinderte in einem zusammenbrechenden Staat und bekamen kurz darauf ein Leben in dem großartigsten Land der Welt geschenkt«, sagte er. »Und wer hat das bewirkt? Ein Unternehmen? Die Regierung?«
    »Ein privates Ehepaar«, sagte sie.
    »Wahrhaft visionäre Leute«, sagte er.
    Es gab eine lange Pause der Bewunderung.
    »Obwohl, man würde es nicht meinen, so schroff redet er mit ihr«, sagte sie.
    »Na ja, sie kann auch furchtbar schroff zu ihm sein«, sagte er.
    »Manchmal ist er bloß schroff zu ihr und sie dann gleich schroff zurück«, sagte sie.
    »So Henne oder Ei«, sagte er.
    »Nur mit Schroffheit«, sagte sie.
    »Trotzdem, die Flemings muss man einfach lieben«, sagte er.
    »Man sollte so viel Gutes tun«, sagte sie. »Wann haben wir denn das letzte Mal ein russisches Baby gerettet?«
    »Na ja, es geht uns ganz gut«, sagte er. »Wir können uns zwar nicht leisten, einen Haufen russische Babys einfliegen zu lassen, aber ich finde, auf unsere eigene unvollkommene Weise führen wir schon ein gutes Leben.«
    »Wir können nicht mal einen Russen einfliegen lassen«, sagte sie. »Sogar ein kanadisches Baby mit Hasenscharte würde unsere Mittel überschreiten.«
    »Wir könnten wahrscheinlich da hochfahren und eins abholen«, sagte er. »Aber was dann? Die Operation können wir uns nicht leisten und das Studium auch nicht. Dann würde das Baby bloß hier rumsitzen, in Amerika statt in Kanada, und immer noch mit der Schartengeschichte.«
    »Haben wir euch Kindern das erzählt? Wir expandieren, fünf Läden. Fünf Läden in der Dreistädteregion. Jeden mit Erfrischungsangebot.«
    »Das ist toll, Mom«, sagte Ryan.
    »Das ist so toll«, sagte Renee.
    »Und vielleicht können wir, wenn die fünf Läden gut laufen, noch drei oder vier weitere aufmachen und dann das ganze Thema mit den russischen Hasenscharten noch mal prüfen«,

Weitere Kostenlose Bücher