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Zehnter Dezember: Stories (German Edition)

Zehnter Dezember: Stories (German Edition)

Titel: Zehnter Dezember: Stories (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Saunders
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sagte Ryans Vater.
    »Ihr seid immer wieder erstaunlich«, sagte Ryan.
    Renee ging mit dem Baby nach draußen.
    »Ich gehe mal mit dem Baby nach draußen«, sagte sie.
    4.
    Das Baby hatte seinen Tribut gefordert. Renee wirkte breiter, weniger quirlig. Auch blasser, so als wäre jemand mit einem farbauslaugenden Strahl über ihr Gesicht und ihre Haare gefahren.
    Das Baby sah wirklich wie ein Elf aus.
    Das Elfenbaby schaute zu einem Vogel hin, zeigte auf den Vogel.
    »Vogel«, sagte Renee.
    Das Elfenbaby schaute zu ihrem irrwitzigen Pool.
    »Zum Schwimmen«, sagte Renee. »Aber noch nicht. Noch nicht, verstanden?«
    Das Elfenbaby schaute in den Himmel.
    »Wolken«, sagte Renee. »Wolken machen Regen.«
    Es war, als forderte das Baby mit den Augen: Beeil dich, erklär mir diesen ganzen Mist hier, damit ich das schneller beherrschen und ein paar Läden aufmachen kann.
    Das Baby schaute mich an.
    Renee ließ das Baby beinahe fallen.
    »Mike, Mikey, heilige Scheiße«, sagte sie.
    Dann fiel ihr offenbar etwas ein, und sie hastete zur Verandatür zurück.
    »Ry?«, rief sie. »Königsryter? Kannst du mal kommen und unsern Martzipan nehmen?«
    Ryan nahm das Baby.
    »Liebe dich«, sagte er.
    »Liebe dich noch mehr«, sagte sie.
    Dann kam sie zurück, ohne Baby.
    »Ich nenne ihn meinen Königsryter«, sagte sie errötend.
    »Hab ich gehört«, sagte ich.
    »Mikey«, sagte sie. »Hast du es getan?«
    »Kann ich reinkommen?«, fragte ich.
    »Heute nicht«, sagte sie. »Morgen. Nein, Donnerstag. Seine Eltern fahren Mittwoch ab. Komm mal am Donnerstag, dann bequatschen wir alles.«
    »Was bequatschen?«, fragte ich.
    »Ob du reinkommen kannst«, sagte sie.
    »Mir war nicht klar, dass das fraglich war«, sagte ich.
    »Hast du?«, fragte sie. »Es getan?«
    »Ryan wirkt nett«, sagte ich.
    »O Gott«, sagte sie. »Buchstäblich der netteste Mensch, der mir je begegnet ist.«
    »Außer wenn er zuschlägt«, sagte ich.
    »Wenn was?«, sagte sie.
    »Ma hat’s mir erzählt«, sagte ich.
    »Was hat sie dir erzählt?«, sagte sie. »Dass Ryan zuschlägt? Mich schlägt? Das hat Ma gesagt?«
    »Sag ihr nicht, dass ich’s dir verraten hab«, sagte ich, etwas in Panik, wie früher.
    »Ma ist gestört«, sagte sie. »Ma hat echt nicht mehr alle Tassen in ihrem Scheißschrank. Typisch Ma. Weißt du, wer hier geschlagen wird? Ma. Und zwar von mir.«
    »Warum hast du mir nicht geschrieben, was mit ihr los ist?«, sagte ich.
    »Was soll mit ihr los sein?«, fragte sie misstrauisch.
    »Dass sie krank ist?«, sagte ich.
    »Das hat sie dir erzählt?«, sagte sie.
    Ich ballte die Faust und hielt sie oben an meinen Kopf.
    »Was soll das sein?«, fragte sie.
    »Eine Geschwulst?«, sagte ich.
    »Ma hat keine Geschwulst«, sagte sie. »Sie hat ein ramponiertes Herz. Wer hat dir erzählt, sie hätte eine Geschwulst?«
    »Harris«, sagte ich.
    »Ah, Harris, perfekt«, sagte sie.
    Im Haus fing das Baby an zu weinen.
    »Geh jetzt«, sagte Renee. »Wir reden Donnerstag. Aber vorher.«
    Sie nahm mein Gesicht in die Hände und drehte meinen Kopf, so dass ich zum Fenster reinschaute, wo Ryan in der Küchenspüle ein Fläschchen warm machte.
    »Sieht so ein Schläger aus?«, fragte sie.
    »Nein«, sagte ich.
    Tat er auch nicht. Kein Stück.
    »Himmel«, sagte ich. »Sagt hier überhaupt irgendjemand die Wahrheit?«
    »Ich ja«, sagte sie. »Und du auch.«
    Ich schaute sie an, und einen Moment lang war sie acht und ich war zehn, und wir versteckten uns in der Hundehütte, während Ma und Dad und Tante Toni im Pilzrausch den Patio demolierten.
    »Mikey«, sagte sie. »Ich muss das wissen. Hast du es getan?«
    Ich riss mein Gesicht aus ihren Händen, drehte mich um und ging.
    »Besuch deine eigene Frau, du Blödmann!«, rief sie hinter mir her. »Besuch deine eigenen Babys.«
    5.
    Ma war auf dem vorderen Rasen und schrie einen Fettsack mit hängender Hose an. Harris lauerte im Hintergrund und haute oder trat ab und zu auf irgendwas ein, um zu zeigen, wie furchterregend er im erbosten Zustand werden konnte.
    »Das hier ist mein Sohn!«, sagte Ma. »Der gedient hat. Der gerade nach Hause gekommen ist. Und so behandeln Sie uns?«
    »Ich danke Ihnen, dass Sie gedient haben«, sagte der Mann zu mir.
    Harris trat gegen die metallene Mülltonne.
    »Würden Sie ihm bitte sagen, er soll damit aufhören?«, sagte der Mann.
    »Er kann mich nicht bremsen, wenn ich wild werde«, sagte Harris. »Das kann keiner.«
    »Glauben Sie, das macht mir Spaß?«, sagte der Mann. »Sie hat

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