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Zehnundeine Nacht

Zehnundeine Nacht

Titel: Zehnundeine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Lewinsky
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kleine Tischchen, das die einzig brauchbare Ablage im Zimmer war. Dann zog er den Sessel näher heran und setzte sich davor.
    Die Flasche sagte ihren Satz. Wieder und wieder. Vielleicht war es doch nur Elektronik.
    Er legte einen Finger an die Lippen und machte: ‹Pscht.› Die Flasche verstummte.»
    «Warum?», fragte der König.
    «Das wusste er auch nicht. Aber es hatte funktioniert. Er war so aufgeregt, dass er sich trotz der Klimaanlage den Schweiß von der Stirn wischen musste. Überdeutlich, so wie man zu einem Schwerhörigen spricht oder zu einem Ausländer, sagte er: ‹Ich möchte dich gern verstehen.› Und gleich noch einmal: ‹Ich möchte dich gern verstehen.›
    Ein paar Sekunden lang hörte man nichts als die tiefen Töne aus der Diskothek. Dann begann die Flasche wieder zu sprechen.
    ‹Okay›, sagte sie. ‹Okay, okay, okay.› Sie sagte das natürlich nicht wirklich. Sie benutzte immer noch dieselbe unverständliche Sprache. Aber in seinem Kopf, er hätte nicht erklären können wie, kamen die Worte auf Deutsch an. ‹Ausnahmsweise›, sagte die Flasche. ‹Aber das zählt dann schon als dein erster Wunsch. Nur damit das klar ist.› Jetzt, wo er sie verstand, schien ihm die Stimme nicht sehr freundlich zu sein.
    ‹Wer bist du?›, fragte er.
    ‹Sag mir lieber, wer du bist›, antwortete die Stimme. ‹Ein ziemlicher Trottel, wie mir scheint. Seit drei Nächten rede ich auf dich ein, und kriege erst jetzt eine Antwort. Wenn ich einen Hals hätte, wär ich schon heiser.»
    ‹Tut mir leid›, sagte der Mann.
    ‹Davon kann ich mir auch nichts kaufen›, sagte die Stimme.
    ‹Bist du ein Dschinn?›
    ‹Nein›, sagte die Stimme. ‹Ich bin deine Großmutter. Kannst du mir eine noch idiotischere Frage stellen? Natürlich bin ich ein Dschinn. Der mächtigste Dschinn von allen.›
    ‹Und warum steckst du dann in einer Flasche?›
    Die Stimme antwortete nicht gleich. Dann sagte sie ärgerlich: ‹Sehr viel Feingefühl hast du auch nicht gerade, was? Kannst du dir nicht vorstellen, dass man an gewisse Dinge nicht gern erinnert wird?›
    ‹Tut mir leid›, sagte der Mann.
    ‹Hör auf, dich zu entschuldigen›, sagte die Stimme. ‹Mach lieber die verdammte Flasche auf, und lass mich raus.›
    Der Mann schluckte, denn er war, wie gesagt, sehr schüchtern. Aber dann fragte er doch: ‹Und was bekomme ich dafür?›»
    Der König grunzte befriedigt. «Na also», sagte er. «Geht doch. Das erste vernünftige Wort, das dieses Weichei von sich gibt.»
    «‹Du bekommst eins in die Fresse›, sagte der Dschinn. ‹Wenn du nicht sofort diese Flasche aufmachst.›»
    «Reiner Bluff», sagte der König.
    «Das dachte der Mann auch. Er war, wie gesagt, nicht dumm. Aber trotzdem zitterte seine Stimme ein bisschen, als er sagte: ‹Ist es nicht üblich, dass man etwas dafür kriegt? In den Büchern steht immer ...›
    ‹Bücher, Bücher, Bücher›, äffte ihn der Dschinn nach. ‹Ich meine ja nur. Wenn ich dich aus dieser Flasche erlösen soll ...›
    ‹Okay›, sagte der Dschinn. ‹Okay, okay, okay. Der übliche Tarif. Drei Wünsche nach freier Wahl. Das heißt: für dich sind es nur noch zwei.›
    ‹Wieso?›
    ‹Einen hast du schon als Vorschuss bezogen. Die Fähigkeit, Altpersisch zu verstehen. Wird dir im Leben sehr nützlich sein, wenn du jemanden triffst, der die Sprache auch spricht.› Der Dschinn lachte, und es war kein angenehmes Geräusch.
    Ich müsste jetzt um den Preis handeln, dachte der Mann. Aber dafür fehlte ihm jedes Talent. Na ja, dachte er. Zwei Wünsche waren auch nicht schlecht.»
    «Er hätte sich einfach eine Million Wünsche wünschen sollen», sagte der König.
    «Das ist im Kleingedruckten ausgeschlossen», sagte die Prinzessin. «So viel wusste er aus seinen Büchern. Zwei Wünsche hatte er noch frei. Das wollte gut überlegt sein.
    ‹Na los, Tempo, Tempo›, sagte der Dschinn.
    ‹Ich muss nachdenken.›
    ‹Spar dir die Mühe. Am Schluss wünschst du dir ja doch nur, was sich immer alle wünschen. Unendlicher Reichtum und die Liebe der schönsten Frauen.›
    ‹Könnte ich die kriegen?›, fragte der Mann und hatte ganz feuchte Hände.
    ‹Null Problemo›, sagte der Dschinn.
    ‹Und sie würden mich unwiderstehlich finden?›
    ‹Süßer als türkischer Honig.›
    ‹Wenn das so ist ... ›, sagte der Mann. In der Minibar war ein Flaschenöffner. Damit konnte man bestimmt ...»
    «Stopp», rief der König. «So blöd kann einer gar nicht sein. Mit unendlichem Reichtum kann

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