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Zehnundeine Nacht

Zehnundeine Nacht

Titel: Zehnundeine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Lewinsky
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wo bis früh um drei die Bässe wummerten. Als er endlich trotzdem eingeschlafen war, hörte er im Traum eine Stimme. Sie sagte etwas in einer Sprache, die er nicht verstand, es mochte Arabisch sein, aber vielleicht auch nicht. Die Stimme wiederholte dieselben Worte immer wieder, und er dachte noch: Was bin ich doch für ein Pechvogel. Da träume ich etwas und verstehe es nicht einmal. Aber dann grölten draußen auf der Straße ein paar betrunkene Touristen, und er merkte, dass er gar nicht schlief, und dass es deshalb auch kein Traum sein konnte. Die Stimme hörte er aber trotzdem, immer den gleichen Satz. Beinahe hätte er an die Wand geklopft, damit sie im Zimmer nebenan Ruhe gäben. Dann fiel ihm ein, dass neben ihm gar niemand wohnte. Dort war die Zentrale für die Warmwasserversorgung, wo jeden Morgen um fünf die Leitungen ächzten, bis der Kessel die richtige Temperatur erreicht hatte. Die Stimme klang aber trotzdem ganz nahe. Zu seiner Verwunderung schien esihm, dass sie aus seiner Reisetasche kam. Er machte das Licht an und stieg aus dem Bett. Tatsächlich: Die Stimme kam aus der Flasche.
    Ein Reklamegag, dachte er, irgend so etwas Elektronisches, wie man es manchmal in Glückwunschkarten findet. Er wusste nicht, wie man die ständige Wiederholung ausschalten konnte, und so stopfte er ein Kopfkissen über die Flasche, um doch noch ein paar Stunden schlafen zu können.
    Als er aufwachte, war die Stimme verstummt. So lange konnte eine winzige Batterie ja auch nicht halten. Er verbrachte den Tag am Strand, las ein Buch, in dem sich ein unglücklich Verliebter umbrachte, kaufte einem Händler ein holzgeschnitztes Kamel ab, aß sein Abendbrot und legte sich zu Bett. Mitten in der Nacht begann die Stimme wieder zu sprechen. Immer denselben Satz in dieser fremden Sprache. Wahrscheinlich war es ein Reklamespruch und hieß so etwas wie ‹Besuchen Sie die Arabischen Nächte , und genießen Sie schöne Frauen ganz ohne Schleier.› Die Stimme schien lauter geworden zu sein, und er konnte sie selbst mit beiden Kissen nicht ganz zum Verstummen bringen. Er schlief sehr schlecht in dieser Nacht.»
    «Warum hat er die doofe Flasche nicht einfach weggeschmissen?», fragte der König.
    «Dazu hätte er mitten in der Nacht aus dem Zimmer gehen müssen», sagte die Prinzessin. «Und am Morgen dachte er nicht mehr daran, weil die Stimme wieder schwieg. Aber in der dritten Nacht ...»
    «Wie viele Nächte hat diese Geschichte?», fragte der König.
    «So viele du willst», sagte die Prinzessin.
    «Dann ist das die letzte.»
    «Gut», sagte die Prinzessin. «Es war die letzte Nacht seines Urlaubs, und die Stimme war noch lauter geworden. An Schlaf war nicht zu denken. Er stand also wieder auf, zog sich an und ging in die warme Nacht hinaus. Das einzige Ziel, das ihm einfiel, waren die Arabischen Nächte . Am Eingang des Lokals stand der Mann mit den Pluderhosen und dem Turban und fragte: ‹Haben Sie an Ihren Gutschein gedacht?›
    ‹Ich will nur mal reinschauen›, sagte der Mann.
    Er konnte nicht feststellen, ob das Lokal wirklich mit stilechten arabischen Antiquitäten eingerichtet war, weil ihn die Blitze der Stroboskope zu sehr blendeten. Auf einem kleinen Podest tanzte eine Frau, die außer einer Kette mit Silbermünzen nichts anhatte. Die Musik war sehr laut und die Gäste waren betrunken. Das war kein Ort, an dem er sich wohl fühlte.»
    «Blödmann», sagte der König. «Um Weiber aufzureißen gibt es nichts Besseres.»
    «Das wusste er wohl nicht, und deshalb ging er gleich wieder hinaus. Er stand noch unschlüssig beim Eingang, als zwei Sicherheitsleute einen Mann aus dem Lokal drängten und wegschubsten.
    ‹Lass dich hier nie wieder blicken›, sagte einer von ihnen. Zumindest klang es so, als ob er das gesagt hätte.
    Der Mann war hingefallen und rappelte sich jetzt mühsam auf. Es war ein älterer Herr, mit Anzug und Krawatte, und er machte keinen betrunkenen Eindruck.
    ‹Kann ich Ihnen helfen?›, fragte der Tourist.
    ‹Mir kann niemand helfen›, sagte der Mann.
    Sie saßen dann im Mondschein nebeneinander unter einer Palme, und der Mann in dem fadenscheinigen Anzug erzählte ihm seine Geschichte. Er war Kurator in einem Museum gewesen, ein sicherer Posten, wie es in diesem Land nicht viele gab. Aber er hatte seine Stelle verloren, mit Schimpf und Schande hatte man ihn davongejagt, und schuld daran waren nur diese Arabischen Nächte , mochte Allah sie verdammen.
    Er war von Beruf Kunstwissenschaftler, eben

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