Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeichen im Schnee

Zeichen im Schnee

Titel: Zeichen im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie McGrath
Vom Netzwerk:
woher sie das viele Geld nehmen sollten. Wenn dem so war, hatte sie ihm nichts davon gesagt.
    Es klopfte; die Tür zur Suite ging auf, und April kam herein.
    «Marsha? Die Leute vom
Alaska-Women
-Magazin warten unten.»
    «Sie haben denen zehn Minuten versprochen?», fragte die First Lady im Wartestand, atmete durch und strich sich die Haare glatt.
    Chuck sah ihr nach, wie sie durch den Raum und zur Tür hinaus schwebte.
    Er wartete, bis Andy Foulsham beschäftigt war, dann schlich er ins Schlafzimmer, wo seine Frau kurz zuvor telefoniert hatte, ging zum Apparat und drückte auf Wahlwiederholung.
    Eine muntere Stimme meldete sich mit «Büro Mr. Schofield».
    Nachdem Chuck aufgelegt hatte, setzte er sich aufs Bett, starrte ins Ungefähre. Warum hatte seine Frau so darauf beharrt, mit Tommy Schofield zu sprechen? Er konnte sie schlecht fragen. Man musste kein Genie sein, um zu erkennen, dass sie es ihm verheimlichen wollte. Er sah sich im Zimmer nach Hinweisen um, aber natürlich gab es keine. Seine Frau war niemals schluderig. Sie hatte ihre Lektion auf die harte Tour gelernt. Er holte tief Luft und begab sich wieder ins Getümmel.
    Andy hatte den Fernsehapparat eingeschaltet. Die Lokalnachrichten zeigten die Demonstration einer kleinen Gruppe von Müttern vor dem APD -Gebäude in Anchorage. Zwei oder drei hielten Spruchbänder hoch, auf denen stand: « KEINE ALTGLÄUBIGEN IM LAND DER MITTERNACHTSSONNE .» Chuck Hillingberg lehnte sich zurück und schloss die Augen. Irgendwie hatte er das Gefühl, jeden Moment von einer Klippe zu stürzen.

[zur Inhaltsübersicht]
    21
    Das Funksignal vom Kontrollpunkt flackerte, dann war die Stimme von Sammy Inukpuk wieder da.
    «Was hast du gesagt?»
    Derek Palliser räusperte sich und gab sich alle Mühe, deutlich zu sprechen. In der Kommunikationszentrale in Nome ging es immer so lebhaft zu, dass die Leute am anderen Ende nur schwer etwas verstehen konnten.
    «Die neuen Hundeschuhe, die du haben wolltest? Ich hab sie mit der heutigen Lieferung mitgeschickt. Du kriegst sie in Anvik.»
    «Aha.» Sammy klang gereizt.
    «Ist was?»
    «Nein, nein. Alles bestens. Das Gespann läuft richtig gut. Ich bin bloß müde, weiter nichts.»
    Eine Pause entstand. Chrissie Caley, Aileen Logans Stellvertreterin, kam vorbei und lächelte Derek kurz zu. Aileen war für einen Tag in Anchorage, um eine Pressemeldung herauszugeben, aber Chrissie schien es bewundernswerterweise nicht aufzuregen, die Vertretung übernehmen zu müssen. Derek wartete, bis Chrissie weitergegangen war, bevor er sich wieder an Sammy wendete.
    «Hast du mich gehört?» Sammys Stimme klang dünn. Derek überlegte, was er sagen sollte. Seit seiner Tour durch den Rotlichtbezirk von Anchorage war er niedergeschlagen; das magere junge Mädchen ging ihm nicht aus dem Kopf. Oder vielmehr ihr Baby. Er hatte nur zehn Minuten bei ihnen verbracht, genau zehn Minuten, doch die gehörten zu den erschütterndsten Minuten seines Lebens. Er musste fast ununterbrochen an das kleine Kind denken. Welche Chancen hatte es, wenn es in einer Abstellkammer aufwuchs und mitanhören musste, wie seine Mutter sich nebenan für Geld bumsen ließ? Derek hatte im Laufe der Jahre viele Abarten der Hölle gesehen, aber dieses Kind, das Leben, das es vor sich hatte, das war eine ganz neue Art von Hölle.
    «’tschuldige, Sammy, ich hab’s nicht mitgekriegt.» Er gab sich mächtig Mühe, sich zusammenzureißen. Gelang ihm aber nicht besonders gut.
    «Ich hab gesagt, mir geht’s gut, bin bloß müde.» Es folgte eine Pause, weil beide Seiten irgendwie frustriert waren. Schließlich meldete Sammy sich wieder: «Hat Nancy mal was von sich hören lassen?» Nancy war Sammys Mal-ja-mal-nein-Freundin in Autisaq. Er hatte sich gewünscht, dass sie herfliegen würde, um ihn zu unterstützen, aber sie meinte, sie bräuchte neue Schneeschuhe und hätte nicht das Geld dafür. Als er ihr anbot, sie ihr aus der Sponsorenkasse zu bezahlen, hatte sie dann plötzlich keine Zeit. Sammy, der ewige Optimist, war überzeugt, dass sie nur wegen irgendwas schmollte und sich das bald geben werde. Derek dagegen vermutete, dass es andere, tiefere Gründe gab, weshalb sie nicht angerufen hatte – Gründe, die mit Sammys Nachbarn Apiuk zusammenhingen, den Derek am Abend vor der Abreise nach Alaska um Nancys Haus schleichen gesehen hatte.
    «Ich wette, sie hat mit Edie gesprochen», log Derek, «und Edie hat vergessen, es auszurichten.» Er wollte unbedingt, dass Sammy das Rennen

Weitere Kostenlose Bücher