Zeichen im Schnee
Schofields Jagdhütte läge in einer scharfen Kurve auf der Kuppe eines Hügels ein paar Kilometer entfernt. Edie war ziemlich zuversichtlich, dass sie die Hütte finden konnte. Als rechts ein kleinerer Weg abzweigte, bat sie Derek, weiter geradeaus zu fahren. Kurz darauf kamen sie an eine mit Holzapfelsträuchern und Hartriegel bewachsene Senke. Aus dem Unterholz brach ein Elchbock hervor und trampelte quer über den Weg. Automatisch griff Edie hinter sich nach dem Gewehr. Dann spürte sie Dereks Hand auf ihrem Arm.
«Tut mir leid. Alte Angewohnheit.»
Der Elch starrte sie einen Augenblick lang an und verschwand dann wieder im Wald. Der Weg führte einen sanften Hügel hinauf. Auf dem Kamm fanden sie, was sie gesucht hatten. Das musste Tommy Schofields Hütte sein. Sie fuhren daran vorbei und stellten den Land Rover ein Stückchen weiter am Rand des Weges ab. Sie nahmen die Waffen und stapften durch tiefe Schneewehen zwischen den Bäumen zurück.
Die Hütte war aufgemotzter und hässlicher als die der Littlefishs. Sie war nicht auf traditionelle Weise aus unbehauenen Holzstämmen zusammengezimmert, sondern aus Ziegelsteinen gemauert, was eher in die Vororte von Anchorage gepasst hätte als mitten in den Wald. Neben die Hütte war eine Garage gebaut worden und dahinter etwas, das aussah wie ein Fleischlager und Ausweidschuppen. Frische Fußspuren führten von der Hütte zur Garage, von der aus Reifenspuren vom Grundstück führten. Es deutete nichts darauf hin, dass noch jemand hier war. Die Polizei von Homer hatte die Stegners offensichtlich noch nicht mit Schofield in Verbindung gebracht. Was keine allzu große Überraschung war. Schofield war schlau genug gewesen, für seine schmutzigen Geschäfte einen Mittelsmann zu benutzen, und die Stegners konnten sich offenbar an keinen einzigen richtigen Namen der Leute erinnern, mit denen sie es zu tun gehabt hatten.
Von ihrer Position zwischen den Bäumen aus konnten sie durch die Terrassentüren auf der Rückseite der Hütte sehen. Pirschend schlichen sie vorwärts, tief gebückt, bis sie am Waldrand standen. Von dort aus huschten sie über die freie Fläche und drückten sich flach an die Hüttenwand. Rechts von Edie war ein kleines Fenster. Sie legte die Hände an die Wangen und spähte in ein schlichtes Badezimmer. Die Marke des Shampoos in der Dusche und der Rasierschaum auf dem Holzregal neben dem Spiegel verrieten ihr, dass hier ein Mann alleine lebte.
Sie schlichen um die Ecke zur Rückseite der Hütte bis zu den Terrassentüren und warfen einen Blick ins Innere. Auf dem Couchtisch standen eine Flasche Scotch und ein einzelnes Glas. Edie spürte, dass der Raum vor kurzem noch benutzt worden war. Neben der Flasche stand ein Bilderrahmen mit einem Foto von Schofield und einem Heilbutt, der fast so groß war wie er. Neben Schofield stand ein Mann, der ihn überragte. Es war Byron Hallstrom.
Sie schlichen rückwärts zurück. In dem Augenblick, als sie um die Ecke biegen wollten, blitzte in Edies Augenwinkel etwas Gelbes auf. Sie wandte den Kopf und ging zu dem Ausweidschuppen hinüber.
«Was machst du da?», fragte Derek und folgte ihr.
Auf einem Regal unter dem Fenster stand eine Dose hellgelbe Farbe. Sie ging zum Holzklotz hinüber, zog die Axt heraus, nahm sie mit zur Schuppentür und schlug das Vorhängeschloss kaputt. Sie drückte Derek das verbogene Metallding in die Hand. Dann zerrte sie die Tür auf. Der grobe, eisenhaltige Gestank von altem Blut fuhr ihr in die Nase. Von der Schuppendecke hing ein Gewirr von Fleischerhaken. Von einem Regal an der Schuppenwand starrte sie eine Reihe verschiedenartiger Tierschädel an, deren Felle auf einer Seite herunterhingen. Über dem fleckigen Ausweidtisch hingen an einer Magnetschiene diverse Messer. In einer Ecke stand eine leere Blutwanne mit mehreren Handschuhen darin. Boden und Wände waren erst vor kurzem abgewischt worden. Der Putzlappen hatte sichtbare Streifen hinterlassen.
Auf der Farbdose lag ein Pinsel, der frisch nach Terpentin roch. Unter dem Regal stand ein Werktisch. Edie ging so weit in die Hocke, dass ihre Augen auf einer Höhe mit der Holzplatte waren. Der Tisch war geschrubbt worden und roch genau wie der Pinsel.
«Sexhändler, Babyschmuggler, Geisterhausschreiner», sagte Derek finster. «Gibt es irgendwas, das unser Mann nicht kann?»
Edie presste die Lippen aufeinander und schluckte schwer. «Damit durchkommen. Wenn wir ihn stoppen, dann kommt er damit nicht durch.»
Sie gingen hinüber
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