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Zeichen im Schnee

Zeichen im Schnee

Titel: Zeichen im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie McGrath
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seit langem nicht mehr abgetaut worden. Sorgfältig musterte Edie die Oberfläche des Innenraums. Jetzt war klar, wonach sie Ausschau halten musste. Das Eis war gleichmäßig gefroren und legte den Schluss nahe, dass seit langem nichts in der Truhe gelagert worden war, vielleicht sogar noch nie. Trotzdem – wenn man genauer hinsah, gab es hier und da Stellen, kleine Vertiefungen, an denen die Eisoberfläche in Mitleidenschaft gezogen worden war, wo Kristalle zusammengepresst oder zerdrückt worden waren. Edie knipste ihre Taschenlampe an und machte sich daran, den Blick auf Inuitart in immer kleiner werdenden Kreisen um jede einzelne Vertiefung wandern zu lassen. Schließlich fand sie, wonach sie suchte – ein winzig kleines, fast unsichtbares Büschel sehr, sehr feiner schwarzer Haare. Babyhaare. Edie klappte den Deckel zu und hängte das Schloss zurück. Damit hatte sie Gewissheit.
    Sharon sah sie ängstlich an. Sie wirkte abwesend und benommen, als stünde sie unter Schock. Edie streckte die Hand aus und packte sie am Arm; ein alte Inuit-Angewohnheit, die sie schon als Kind von ihrer Mutter gelernt hatte. Wenn es wirklich darauf ankam, dass jemand auf eine Frage eine ehrliche Antwort gab, nahm man Körperkontakt auf, ehe man die Frage stellte. Das machte den Leuten das Lügen schwerer.
    «Sharon? Was wissen Sie über Lucas Littlefish?»
    Das Mädchen zuckte zusammen. «Sie müssen zu Familie Littlefish.» Mehr sagte sie nicht.

[zur Inhaltsübersicht]
    31
    Der Mond tauchte das Eis auf der Kachemakbucht in silbrig schimmerndes Licht. Edie betrachtete die Bucht im Außenspiegel des Land Rovers, als sie sich wieder den bewaldeten Kamm hinaufpflügten, auf dem die Hütte der Littlefishs stand.
    Annalisa Littlefish kam mit hochgekrempelten Ärmeln an die Haustür. Sie roch nach Fleisch. An ihrer Wachstuchschürze war Blut, und ihre Hände sahen aus wie zwei rohe Steaks. Auf ihrer Oberlippe glänzte Schweiß. Einen Augenblick lang stand sie einfach nur da, die Hände auf die Schürze gelegt. Es sah nicht aus, als würde sie Edie erkennen.
    «Mrs. Littlefish?» Edie streckte die Hand aus. Annalisa Littlefish kniff die Augen zusammen. Sie sieht schlecht, dachte Edie. Die Frau wischte sich die rechte Hand an der Schürze ab, als wollte sie Edies Hand ergreifen, dann überlegte sie es sich anders.
    «Ja, ich erinnere mich an Sie.»
    Derek stieg aus dem Wagen und blieb lächelnd stehen.
    «Das ist mein Freund Derek Palliser.»
    «Ist Mr. Littlefish auch da?»
    Annalisa behielt das ausdruckslose Starren bei. Die Kiefer fest aufeinandergepresst, in ihren Augen lag Schmerz.
    «Nein, war jagen. Danach geht er immer gern in die Bar, zum Angeben. Ich bin in der Außenküche. Ausweiden.»
    «Was hat er mitgebracht?», fragte Edie.
    «Sie kommen um zehn Uhr nachts hierher, um mich das zu fragen?» Sie sah Edie empört an. «’nen Schwarzwedel, wenn Sie’s genau wissen wollen.»
    Edie drehte sich zu Derek um. «Brauchen Sie Hilfe? Derek und ich hätten den in Nullkommanix zerlegt.»
    Annalisa schüttelte den Kopf. Sie hatte es bei Edie schon mal auf die freundliche Tour versucht und offenbar keine Lust, dieses Experiment zu wiederholen. Es blieb Edie nichts anderes übrig, als den direkten Weg zu nehmen.
    «Mrs. Littlefish, ich habe das Foto gesehen, das an Thanksgiving von Lucas gemacht wurde. Und ich habe seinen Leichnam gesehen. Ich weiß, dass Ihr Enkel, als ich ihn fand, bereits seit Monaten tot war.»
    Annalisa würgte. Ihr Kopf ruckte nach vorn. Im Mondlicht wirkte ihr Teint graugrün.
    «Bitte, Mrs. Littlefish.»
    Annalisa zitterte. Plötzlich gaben ihre Beine nach. Derek machte einen Satz nach vorn und fing sie auf.
    Erst auf ihrem Sofa kam sie wieder zu sich. Einen Moment lang wirkte ihr Blick leer, dann waren ihre Augen voller Angst.
    «Ich wusste, dass das irgendwann rauskommt. Das habe ich Otis immer gesagt.» Sie wiegte sich leicht vor und zurück und fuhr mit den Händen über die Schürze. «Gleich am Anfang, da kam dieser Detective Truro her, um mit uns zu reden, aber er hat uns nie nach Lucas’ Geburtstag gefragt, und wir haben auch nichts gesagt. Er hatte sicher die Unterlagen aus dem Krankenhaus, also wusste er es vielleicht, aber er hat nichts gesagt. Kurze Zeit später hat er sich gemeldet und gesagt, wir sollen zurückrufen. Haben wir aber nicht, und seitdem hat sich nie mehr wer gemeldet.»
    «Detective Truro wurde von dem Fall suspendiert», sagte Derek.
    «Suspendiert?»
    Edie sprang ihm bei. «Wir

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