Zeig keine Angst!
Glaub mir, ich weià es. Deshalb muss ich vorsichtig sein. Manche Leute werden gefährlich, wenn sie Angst haben. Und diese hier waren vorher schon gefährlich.
Sie haben mir zwar geholfen, aber die Situation kann schnell kippen.
Ich lasse die Augen zu und bleibe ruhig liegen. Die Dunkelheit fühlt sich warm an. Der Motor heult wieder auf. Kein Wort von Dig, aber er tut, was ich gesagt habe. Den Wisteria Drive runter, die zweite StraÃe rechts, dann die erste links. Nun sind wir auf dem Weg zu den Schrebergärten.
»Folge der StraÃe um die Kurve«, sage ich. »Lass die Schrebergärten rechts liegen.«
»Warum setzt du dich nicht hin?«, fragt Xen. »Setz dich hin und schau raus.«
Hörst du das, Bigeyes? Ihre Stimme klingt nervös, schärfer als vorhin. Ich habe dir doch gesagt, dass sie Angst hat. Deshalb ist sie jetzt wieder gefährlich.
»Ich bin zu müde, um mich hinzusetzen«, sage ich.
»Wohin jetzt?«, ruft Dig.
»An der Weggabelung rechts. Dann wieder rechts. Diese StraÃe führt â¦Â«
»Ich weiÃ, wo diese StraÃe hinführt«, sagt Dig und fügt nach einer kurzen Pause hinzu: »Ich wohne schlieÃlich in dieser Stadt.«
Er klingt nun auch gereizt.
Ich muss vorsichtig sein, Bigeyes. Ich muss aufpassen, was ich tue. Das sind keine Freunde. Sie helfen mir im Moment, aber sie sind keine Freunde von mir. Ich bin nur hier, weil Dig Schuldgefühle hat, aber die werden bald nachlassen. Und wenn es soweit ist, bin ich erledigt.
Ich kneife die Augen zu und versuche nachzudenken.
Aber es fällt mir schwer. Es passiert einfach zu viel. Ich höre, dass Dig beschleunigt.
»Fahr langsamer«, rufe ich.
»Die StraÃe ist leer«, entgegnet er.
»Die StraÃe ist nie leer.«
»Was soll das heiÃen?«
»Das ist jetzt egal. Fahr einfach langsamer.«
Er fährt ein bisschen langsamer, aber immer noch zu schnell. Ich weiÃ, was los ist. Er wird nervös. Ja, Bigeyes, sogar Dig. Ich muss ihn irgendwie bremsen.
»Du musst langsamer fahren«, sage ich. »Mit normaler Geschwindigkeit.«
»Es ist niemand in Sicht. Wir haben die Häuser gerade hinter uns gelassen. Wer soll uns jetzt noch sehen?«
»Das würdest du nicht wissen wollen.«
Er verstummt und fährt noch ein bisschen langsamer. So ist es besser, aber er ist immer noch zu schnell. Der Dummkopf. Ich schulde ihm was, aber er ist ein Dummkopf. Er ist bereits einigen von meinen Feinden begegnet und hat gesehen, wozu sie fähig sind. Er hat sich wahrscheinlich zusammengereimt, dass einer von ihnen seine Schwester umgebracht hat. Er muss die Nerven behalten, sonst sind wir erledigt.
»Wohin jetzt?«, ruft er nach hinten.
»Fahr einfach weiter die Baltimore Road runter.«
Er grunzt, sagt aber nichts mehr. Ich muss aufpassen, Bigeyes. Ich werde ihm unheimlich und das gefällt ihm nicht. Ich setze mich besser hin. Es irritiert ihn, dass ich daliege und trotzdem weiÃ, wo wir sind.
»He«, sagt Bex. »Du sollst doch liegen bleiben.«
Ich sehe sie an. Ich weià nicht, warum, aber ich habe gar nicht mehr so viel gegen sie. Sie erwidert meinen Blick. Auf ihrem Gesicht liegt ein Ausdruck, den ich bisher noch nicht bei ihr gesehen habe. Er ist nicht unbedingt freundlich, aber auch nicht feindselig.
Von Xen kann ich das nicht sagen. Sie hat sich auf dem Beifahrersitz rumgedreht und taxiert mich. Ich bleibe ruhig und sehe sie ebenfalls durchdringend an. Sie beobachtet mich noch ein Weilchen, dann wirft sie einen kurzen Blick auf Bex und lehnt sich zu Dig rüber.
»Dig?«, sagt sie.
»Was ist?«
»Er hat sich hingesetzt.«
»Das habe ich gesehen.«
Ich fange Digs Blick im Rückspiegel auf. Schwer zu sagen, ob er erleichtert oder verärgert ist. Auf jeden Fall hat er Angst. Nicht so viel wie Xen, aber er beginnt sich zu verkrampfen. Ich beobachte ihn im Rückspiegel. Er behält mich auch im Auge, dreht sich aber nicht um.
»Noch anderthalb Kilometer«, sage ich.
»Und was dann?«
»Dann siehst du eine Kreuzung mit einem Pub namens â¦Â«
Er schneidet mir das Wort ab. »Queen Anne. Ich kenne ihn.«
»Du fährst über die Kreuzung und direkt danach ist eine Abzweigung nach rechts.«
»Und die nehmen wir?«
Xen beäugt ihn von der Seite. Sie hat mich wieder beobachtet, aber sie checkt auch ihn ab. Und in ihrem Gesicht ist etwas, das vorhin
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