Zeig keine Angst!
befragen. Das habe ich in den Nachrichten gehört. Sie denkt, dass Sie vielleicht wissen, wo ich bin. Deshalb suchen diese anderen Kerle Sie nun auch. Und die sind gefährlich. Die sind â¦Â«
»Blade.« Sie schaut mir fest in die Augen. »Hör zu. Es geht nicht um mich. Es geht um dich.«
»Es geht auch um Sie.«
Sie schüttelt den Kopf.
»Es ist Zeit, dass du aufhörst, davonzulaufen. Das habe ich dir schon am Telefon gesagt.«
»Aber â¦Â«
»Du hast schlimme Dinge getan. Das hast du selbst gesagt. Also stelle dich der Polizei. Ãbernimm die Verantwortung für das, was du getan hast. BüÃe deine Strafe ab und dann mache einen neuen Anfang. Du bist noch jung genug, um eine Zukunft zu haben. Davonlaufen ist keine Lösung.«
»Aber diese Kerle â¦Â«
»Die sind mir egal.«
»Aber die werden Sie töten«, sage ich. »Vielleicht noch Schlimmeres.«
»Glaubst du, dass mich das noch kümmert?« Sie beobachtet mich einen Augenblick. »Was glaubst du, warum ich mich im Bungalow mit diesen Kerlen angelegt habe? Und bei dem Lagerhaus dann noch mal? Denkst du, ich bin von Natur aus mutig?«
»Ja, das denke ich.«
»Nein, das bin ich nicht.«
Doch, Bigeyes, das ist sie. Hör nicht auf sie. Sie ist mutig. Glaub mir. Sie ist einer der mutigsten Menschen, die mir je begegnet sind. Am Anfang hatte sie Angst vor mir, und vor meinen Feinden auch. Aber sie hat uns allen die Stirn geboten, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Sie haben mir das Leben gerettet«, sage ich. »Und nun will ich Ihres retten.«
»Aber das kannst du nicht, mein Schatz.« Sie drückt meine Hand. »Siehst du das denn nicht? Ich habe nur noch ein oder zwei Wochen zu leben. Vielleicht auch nur noch ein paar Tage. Ich wusste, dass meine Zeit abgelaufen ist, als ich dir zum ersten Mal begegnet bin. Deshalb brauchte ich keinen Mut, um mich mit diesen Männern anzulegen. Was können sie mir schon tun, wenn ich eh bald sterbe?«
»Eine ganze Menge.«
»Was denn zum Beispiel?«
Ich lasse ihre Hand los und stehe auf. Ich zittere, aber ich kann nicht anders. Ich greife zur Wand rüber und schalte das Licht an. Mary sieht blinzelnd zu mir hoch. Ich erwidere ihren Blick einen Augenblick lang, dann ziehe ich meinen Mantel, meinen Pulli und mein Unterhemd aus und drehe ihr den nackten Rücken zu. Sie schnappt nach Luft.
»Mein Gott! Wer hat dir das angetan? Diese Männer?«
»Männer wie sie. Und es gibt eine ganze Menge von denen. Mehr als Sie je zu Gesicht bekommen wollen.«
Sie ist still. Aber ich spüre ihren Blick auf meinem Rücken, wie er über die Narben gleitet, die ich Dig zeigen sollte. Und im Geiste sehe ich sie auch vor mir. Ich kenne ihren Anblick, jede Linie. Ich habe sie schon oft genug in Hütten gesehen, in denen es viele Spiegel gab. Ich könnte sie für dich zeichnen, Bigeyes, in allen Einzelheiten. Und ich kann noch mehr.
Ich kann mich noch genau erinnern, wie es sich angefühlt hat, als die Kerle mich verletzt haben.
»Zieh deine Sachen wieder an«, sagt Mary leise.
Ich tue es, schalte das Licht aus und bleibe stehen.
»Setz dich wieder aufs Bett«, sagt sie. »Und gib mir wieder die Hand.«
Ich tue auch das. Wir reden nicht. Wir sitzen nur da, im Dunkeln. Nach einer Weile merke ich, dass sie weint. Ich drücke ihre Hand, so wie sie vorhin meine gedrückt hat. Sie weint noch ein paar Minuten lang, dann zieht sie ein Taschentuch unter dem Kissen hervor und wischt sich die Nase ab.
»Es tut mir so leid, was du durchmachen musstest«, murmelt sie.
»Ihnen geht es auch nicht gerade blendend.«
Sie streichelt mit dem Daumen über meinen Handrücken. Das fühlt sich irgendwie tröstlich an. Sie putzt sich wieder die Nase.
»Wenn ich dir von mir erzähle, erzählst du mir dann auch von dir?«
Ich antworte nicht.
»Ich erzähle dir meine Geschichte auch so«, sagt sie. »Du kannst tun, was du willst. Du brauchst mir nichts zu erzählen. Ich habe nur gefragt, weil ⦠weil mir etwas an dir liegt.«
Ich antworte wieder nicht.
Mach nicht so ein finsteres Gesicht, Bigeyes. WeiÃt du, warum ich nicht antworte? Weil ich nicht sprechen kann, darum. Und warum kann ich nicht sprechen? Weil mir auch was an Mary liegt. Verstehst du? Ich mag sie. Also schau mich nicht so an.
Mary redet weiter.
»Ich bin auf der Flucht vor meiner
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