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Zeig mir den Tod

Zeig mir den Tod

Titel: Zeig mir den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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Befehl?«
    »Ein Wunsch, der von Herzen kommt.«
    Hanna trank und blickte auf das große Bambusbett, auf das rechteckig das Licht aus dem Flur fiel. Auf der zerwühlten Decke saß der eine Kater und starrte in die Zimmerecke, in der ein Schrank aus Palisanderholz quer über die Ecke stand.
    »Hanna?«
    »Ein Kater ist weg.«
    »Wie?«
    »Ich sehe immer nur einen. Und Moritz hat gesagt, dass Bentley krank sei. Vielleicht liegt er … tot in einer Ecke.« Sie stellte das Weinglas auf den Nachttisch.
    »War er da, als du heute Nachmittag angekommen bist?«
    »Ja. Ich habe beide ins Schlafzimmer gesperrt, solange die Spedition hier ausgeladen hat. Das war so ausgemacht.« Sie knipste die Nachttischlampe an.
    Der Kater drehte kurz die Ohren zu ihr, dann wieder Richtung Ecke.
    »Sei mal still, Kora.« Hanna hielt die Luft an. Und da hörte sie es. Ein schwaches Raunzen. Es kam aus der Ecke. Hanna riss den Schrank auf. Fototaschen, Diamagazine, eine eingeschweißte Bettwäsche. Kein Kater. Da hörte sie es wieder. Es war hinter dem Schrank! »Kora, ich hab ihn.«
    »Tot?«
    »Nein. Sitzt hinter einem Schrank. Muss wohl über die Palme raufgesprungen sein. Wahrscheinlich zu viel Lärm heute. Da ist er vielleicht hinten runtergesprungen, in das Dreieck, das Schrankrückwand und Zimmerecke bilden.«
    »Kommst du an ihn ran?«
    Der Schrank sah zentnerschwer aus, und ihr Rücken brachte sie sowieso schon um. Sie könnte einen Nachbarn um Hilfe bitten, dachte sie und stellte sich vor, wie sie, wildfremd im Haus und mit Rotweinfleck auf dem Shirt, gegen halb zwölf nachts irgendwo klingelte, ein zerzauster Mann im Schlafanzug ihr öffnete, und sie ihn lächelnd fragte, ob er Lust auf ein gemeinsames Schrankrücken in ihrem Schlafzimmer habe. »Kein Problem«, antwortete sie.
    »Dann kümmere dich jetzt um das Tier.«
    »Kora?«
    »Ja?«
    »Du fehlst mir jetzt schon.«
    »Ich bin immer für dich da!«
    Ein paar Sekunden stand Hanna still, sah Koras warme Augen vor sich und ihr breites Lachen, dazu die goldenen Locken, die ihr bis zum Hintern fielen.
    Erneut raunzte es. »Ich komm ja schon.« Sie schob die Hände zwischen Schrankrücken und Wand. Zog. Nichts. Noch einmal. Wieder nichts – nur stechender Schmerz im Rücken. »Verdammt!« Sie stemmte ihren linken Fuß gegen die Wand, zog erneut. Ihre Finger taten weh. Moritz wäre verzweifelt, wenn dem Kater etwas passieren würde. Tief holte sie Luft, nahm alle Kraft zusammen – und der Schrank rutschte ein winziges Stückchen nach vorn. Sie keuchte. Wiederholte die Prozedur. Keuchte. Endlich konnte sie hinter den Schrank blicken. Ganz in der Ecke kauerte das Fellbündel. Seine Augen funkelten im schwachen Licht. »Komm, ps, ps, ps.«
    Keine Reaktion.
    Und das mir!, dachte sie.
Verflucht.
    Schließlich griff sie hinter den Schrank und in das Fell. Fühlte die Knochen darunter. Noch an Weihnachten waren beide Tiere in einem guten Zustand gewesen. Behutsam zog sie den Kater hervor und hob ihn auf ihren Arm. Er wehrte sich nicht. Es musste Bentley sein, der kranke. Sie kraulte seine Ohren, so, wie Moritz es immer tat. »Alles gut«, flüsterte sie, und als wolle auch er gekrault werden, sprang Bugatti vom Bett und strich schnurrend um ihre Beine. Die plötzliche Nähe zu den Katzen war ihr nicht geheuer. Hanna hatte nie Tiere gehabt und konnte auch nichts mit ihnen anfangen. Musste aber zugeben, dass sie eine gewisse Ruhe ausstrahlten – wenn sie sich nicht gerade kamikazemäßig hinter irgendwelche Schränke stürzten.
    Sie wollte Bentley eben zu seinem Bruder auf den Boden setzen, als im Treppenhaus Stufen knarrten und ein vertrautes Schlüsselklappern ertönte.
    Und dann stand er vor ihr. Schmaler als noch vor ein paar Wochen, etwas zerzaust und mit den Schatten von Bartstoppeln auf den Wangen. »Hallo«, sagte er leise, lächelte. »Hanna und Bentley.« Er legte die Umhängetasche auf die Kommode im Flur und knöpfte seine Jacke auf. Sie war graugrün, leicht tailliert und hatte vorn vier große Taschen. Hanna kannte sie nicht. Sie gefiel ihr.
    »Hey.« Sie wollte ihn in die Arme schließen, wollte ihm eine runterhauen, wollte ihn küssen und ihm beleidigt den Rücken zudrehen. Und da stand sie, reglos, den Kater auf dem Arm, und brachte nichts außer dieses dämliche »hey« über die Lippen.
    Moritz nahm ihr den Kater ab und setzte ihn neben seine Füße. Dann strich er ihr die dunklen Haare aus dem Gesicht, küsste sie und flüsterte: »Tut mir leid«, und als sie seine Arme

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