Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeig mir den Tod

Zeig mir den Tod

Titel: Zeig mir den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
Vom Netzwerk:
Stadt gezogen war, lachend und Arm in Arm, war das gewesen. Er hatte unbedingt den jungen Helden spielen und über einen Betonpoller springen müssen. Schienbeinkopfbruch plus angebrochenes Wadenbein. Uwe war an diesem Abend, der zu dritt begonnen hatte, früher nach Hause gegangen. Er hatte den beiden ja vertraut. Günther, dem zweiundzwanzigjährigen Greenhorn, mit dem man so wunderbar philosophieren konnte, und Edith, der dreißigjährigen Schauspielerin, mit der er seit Jahren zusammenlebte. Uwe, damals schon dreiundvierzig Jahre alt, hatte einen anstrengenden Tag in der Praxis gehabt. Der Herr Möchtegern-Arzt, der das Medizinstudium nicht geschafft und sich dennoch für die größte Koryphäe unter Gottes Heilpraktikern gehalten hatte.
    Günther lachte auf.
    Eine Null war Uwe gewesen! Hatte Edith mit diesem idyllischen Fachwerkhaus im Grünen becirct. Aber nichts im Griff gehabt. Hätte er ihn nur nie um Rat gefragt. Doch eigentlich, wenn er es sich genau überlegte, war es Lene gewesen, die ihn dazu überredet hatte. Und die Uwe immer hatte treffen wollen.
    Weitere Vögel fielen in das Gezwitscher ein. Mattes Licht drang ins Zimmer.
    Uwe und Lene. Lene und Uwe.
    Er stand auf, und er verfluchte das Knarren des teuren Möbelstücks, das ihn fast zu verspotten schien.
    Konnte das sein? Und die Schritte vor seiner Garderobe …
    Günther lauschte. Es war still im Haus. Auf Socken schlich er nach oben und schob leise die Tür zum Schlafzimmer auf. Im fahlen Licht sah er Lene liegen, nackt, auf dem Rücken, die Decke zur Seite geschoben, schwer atmend. Auf ihrem Bauch klebte die Insulinpumpe, ihr Haar hing über die Bettkante. »Du gehörst immer noch mir!«, sagte er kaum vernehmlich. Lene rührte sich nicht. Er trat ans Bett, sog ihren süßlichen Geruch ein und berührte ihren Hals und ihre Brüste, dann ließ er seine Fingerspitzen über ihren Bauch hinabgleiten, vorbei an dem kleinen Gerät, bis zu den Schamhaaren. Sie reagierte noch immer nicht. Doch seine Gedanken beruhigten sich, und sein Verlangen konzentrierte sich auf den Körper, der hilflos und entblößt vor ihm lag, dessen Silhouette sich weich von den weißen Laken abzeichnete.
    Wie in Zeitlupe streifte er Pullover, Hemd und Unterhemd ab, zog die Socken aus, ließ Hose und Unterhose raschelnd zu Boden gleiten.
    Lene, die schwache Lene. Auch ihre ersten Worte waren ihm noch präsent wie am ersten Tag in der Cafeteria. »Kaffee schwarz. Wie meine Zukunft«, hatte sie gesagt, als er mit der dampfenden Tasse an den Nebentisch gehumpelt war. Hoch und ein wenig flatternd hatte sie geklungen und war ihm fast hilflos erschienen in ihrem weißen, glänzenden Morgenmantel, mit dem erschöpften Blick, und auch deshalb, weil sie sich, als beide entlassen worden waren, ständig zurückgezogen hatte, um sich Insulin zu spritzen. Wahrscheinlich war es das gewesen. Ihre Hilflosigkeit. Das Zerbrechliche, fast Durchsichtige an ihr.
    Das, was jetzt vor ihm lag, ihn lockte.
    Sie war so ganz anders gewesen als die starke Edith, die von Beginn an ihren Weg gegangen war, zielstrebig und kraftvoll, und die stets bekam, was sie wollte. Außer das große Geld. Das hatte dafür Lene gehabt. Ihre Eltern, ein norwegischer Diplomat und eine deutsche Architektin, waren nur wenige Monate, nachdem Lene und Günther sich kennengelernt hatten, bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Das Haus, in dem sie jetzt lebten, war gerade fertig gewesen. Als er sie das erste Mal gesehen hatte, lagen sie aufgebahrt zwischen einem Meer von Blumen. Lene war am Grab zusammengebrochen. Einige Monate später hatten sie geheiratet – Doppelhochzeit der beiden Freundespaare. Uwe und er in Schwarz, Lene in Weiß und Edith in Türkis. Günthers Liebe hatte Lene aufgerichtet. Edith hatte dies akzeptiert, hatte Lene sogar gemocht. Erfreut war sie vermutlich nicht darüber gewesen, dass Günther nicht mehr mit ihr hatte schlafen, zu zweit Gras rauchen, diskutieren und trinken wollen. All die Dinge, die Uwe nie verstanden hätte. Günther dagegen war glücklich gewesen. Und als Lene kurz danach schwanger war, mit nur achtzehn Jahren, schien die Zukunft ein goldener Palast zu sein.
    Er strich fester über Lenes Bauch, der so wunderbar rund geworden war, als Annika darin wuchs. Lene stöhnte kurz und drehte sich zur Seite, den Rücken ihm zugewandt, schwerfällig und mit halboffenem Mund, als sei sie betrunken. Doch vermutlich waren es die Schlaftabletten.
    Goldener Käfig. Das wäre die bessere

Weitere Kostenlose Bücher