Zeig mir den Tod
Betrug sich lohnt oder nicht.«
»Sich lohnt?« Ehrlinspiel verstand die Anspielung nicht.
»Wer in festen Händen ist, sollte nicht in fremden Betten liegen.«
Ehrlinspiel sah aus den Augenwinkeln zu Judith. Die blickte auf ihre schmalen Hände, die anderen Kollegen schauten zu ihm. Der Hauptkommissar glaubte nicht, was er da hörte. Woher wusste Larsson, ausgerechnet
Larsson,
Bescheid …?
»Zumindest wissen wir dann«, sagte Lukas Felber, nicht ohne Ehrlinspiel einen bedeutungsvollen Blick zugeworfen zu haben, »ob Assmann der Vater der Kinder ist. Oder ob das alles ein verdammter Fake war, um ihm zu schaden oder Angst zu machen.«
»Ein Fake um den Preis eines Menschenlebens.« Ehrlinspiel stand auf und hängte seine Ledertasche um. Er fühlte sich schmutzig, seine Beine zitterten, und die Schmerzen in seiner Schulter waren durch das Sitzen nicht besser geworden.
Wieder donnerte es.
»Lasst uns das Mädchen finden«, sagte er. »Und beten, dass sie noch lebt.«
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28
Montag, zur gleichen Zeit
W ütend schob Hanna die Röcke, Kostüme und Blusen zusammen. Die Bügel klapperten. Sie hängte das pinkfarbene Kleid in die Lücke und knallte die Schranktür zu. »Weg damit!« Sie wollte nicht an den Abend erinnert werden. Nicht an die einsame erste Nacht hier. Nicht an den Kommissar, der ihr gestern noch schöne Augen gemacht hatte und es jetzt nicht einmal für nötig hielt, zu erklären, wo er war. Okay, er machte nur seinen Job. Aber wenigstens eine SMS …
Nachdem sie in der Nacht mit dem Taxi in Moritz’ Wohnung zurückgefahren war – als gemeinsame Wohnung wollte und konnte sie dieses Chaos ja wohl kaum bezeichnen –, hatte sie das verführerische Kleid in die Ecke geworfen und geheult. Vor Wut, vor Enttäuschung, vor Angst, dass das nun ihr Leben sein würde. Sie hatte Saxophon spielen wollen, denn nichts anderes beruhigte sie so sehr, doch ihre Hände hatten so gezittert, dass sie kaum die Kraft gefunden hatte, die Klappen hinunterzudrücken.
Nein, nicht schon wieder heulen, schalt sie sich, als sie auf Moritz’ Seite des Bettes die beiden Kater sitzen sah. Mistviecher. Das war sowieso unhygienisch. Unwillkürlich kratzte sie sich am Oberarm. Wie hatte sie nur so blöd sein und sich auf die Tiere und diesen ewig verschwundenen Ehrlinspiel einlassen können!
Barfuß tappte sie in die Küche und schaltete die Kaffeemaschine ein. Ein Licht blinkte, es piepste. Kaffee kam keiner heraus.
Behälter leeren,
leuchtete auf einem Display auf. Sie rüttelte an dem italienischen Designerteil mit den vielen Knöpfen. Fand schließlich eine Schublade, zog sie heraus und kippte das verbrauchte Pulver in den Müll.
Ein Kater kam und rieb sich an ihren Beinen. Sicher Bugatti. Auch das noch! Sie musste das Monster füttern. Aber mit was? Sie war nicht auch noch so blöd und kochte seinen Viechern etwas, als Dank womöglich, dass er sie hier allein ließ.
Bugatti maunzte.
Sie drückte den Startknopf der Kaffeemaschine.
Wassertank füllen.
Verflucht! Sie suchte den Tank und goss eine halbe Flasche stilles Mineralwasser hinein. Drückte erneut auf Start.
Bitte entkalken.
Begleitet von lautem Piepsen.
»Scheißding!«
Sie ging ins Schlafzimmer, schlüpfte in Jeans und eine Bluse und lief mit Regenschirm los in Richtung Bäckerei. Es roch nach Gras und Blüten, die frische Luft tat ihr gut und kühlte ihre Wut ein wenig ab. An der Günterstalstraße rumpelte eine Straßenbahn an ihr vorbei, und als sie sich der Haltestelle bei der Lorettostraße näherte, musste sie an die beiden Assmann-Kinder denken, die hier zuletzt gesehen worden waren. An dem Kiosk sprangen ihr schon die Schlagzeile und ein Foto von Assmann entgegen.
Drama am Stadttheater. Vater der entführten Kinder dreht durch.
Sie kaufte ein Exemplar, beim Bäcker am Eck zwei Brötchen und einen doppelten Espresso zum Mitnehmen.
Fünfzehn Minuten später saß sie an der Küchentheke, mit dem Rücken zu dem Kistenchaos, biss in ein Brötchen mit Thymianhonig und sah Bugatti beim Fressen zu. Aus dem Katzenregal hatte sie eine Dose genommen, in der Hoffnung, damit nicht viel falsch zu machen. Bentley, sicher zu schwach zum Aufstehen, saß noch auf dem Bett. Und ob sie wollte oder nicht: Das Tier rührte sie an.
Sie las die Assmann-Story. Mittendrin hörte sie auf zu kauen und knallte das Brötchen auf den Teller. »Du Schuft«, sagte sie wütend. Mit keinem Wort hatte der feine Herr Hauptkommissar erwähnt, dass an dem Abend irgendetwas
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