Zeig mir den Tod
Umweltaktivisten glücklich gewesen. Wie auch immer: Bergers waren eine Recherche wert! Sie schob die Visitenkarte in ihre Hosentasche und sah sich noch einmal in der Wohnung um.
Bis Moritz sich hierherbequemte, wäre sie längst zurück. Und er musste ja nichts von ihrem kleinen Ausflug zu den Leuten wissen, die in den Fall involviert waren. Ergo kein Zettel und keine SMS . Obwohl – sie schürzte die Lippen –, auf sein Niveau, ganz zu schweigen, wollte sie sich auch wieder nicht herablassen.
Sie stieg die Treppe auf die Galerie hinauf, holte einen schwarzen dicken Filzstift aus dem Drahtkorb neben Moritz’ Computer und schrieb in großen Druckbuchstaben auf eine der Umzugskisten
Bin unterwegs. Bis später. H.
Und wenn sie bei den Bergers nichts fürs
Stadtmagazin
ausbuddelte, könnte sie die Gegend für ihren dritten Schwarzwald-Wanderführer erkunden.
Beschwingt ging sie ins Schlafzimmer und strich dem bewegungslosen Bentley über ein Ohr. »Komm, wir machen einen kleinen Ausflug.«
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29
L eise zog er die Tür zu und schob von außen den Riegel vor. Das Schloss ließ er offen. Er würde später wieder herkommen. Etwas regte sich drinnen, als er den Kiesweg zurück zum Haus rennen wollte, ein leises Rascheln, dann die rasselnde Atmung, die im Prasseln des Regens auf der Dachpappe fast unterging. Doch das war nichts, was ihm im Moment Sorgen bereitete. Der Gestank war zwar unerträglich, aber Kot und Urin konnte er ein andermal beseitigen. Gestern war nicht die Zeit dazu gewesen. Und jetzt quälten ihn andere Probleme.
Er lief los. In den Neun-Uhr-Nachrichten hatten sie gebracht, dass Marius gefunden und in der Uniklinik war. Von Rebecca fehlte nach wie vor jede Spur. Ob er erleichtert sein sollte? Er trug so viel Liebe in sich und hatte im Leben so viel Gutes tun wollen, doch in den letzten Tagen war ihm jegliche Empfindsamkeit verlorengegangen. Lange konnte er das alles nicht mehr ertragen.
An der Hausfassade lief ein gelblicher Bach herunter. Er hatte sich im Lehmboden bereits eine Kuhle gegraben, und das Wasser spritzte gegen die ohnehin schon fleckige Wand. Die Dachrinne war verstopft. Laub vom Herbst. Es war so viel zu tun. Er hatte keine Kraft mehr dazu.
Er nahm den Hintereingang zur Praxis, durch die Voliere. Die Vögel schrien und flatterten durcheinander, als er vorbeiging, ohne sie zu füttern, ohne ein Wort, nur mit dem Schmatzen seiner durchnässten Schuhe.
Edith war erst gegen zwei Uhr nach Hause gekommen. Wieder einmal. Stumm hatte sie sich neben ihn gelegt, schwer geatmet, den Geruch nach viel zu vielen Zigaretten, den Resten ihres schweren Parfums und nach Wein verströmt.
Er hatte nicht reagiert, war nur froh gewesen, dass sie überhaupt gekommen war. Er hatte ihr den Rücken zugewandt, auf die Leuchtziffern des Weckers gestarrt und gedacht, dass Assmanns fataler Auftritt auch für Edith eine Katastrophe bedeuten musste. Für Edith, die die wahre Katastrophe nicht einmal ahnte. Edith, die noch schlief und von der er nicht wusste, wie er ihr heute begegnen sollte. Verständnisvoll? Gleichgültig? Voller Wut?
Nachdenklich streifte er die Schuhe von den Füßen, stellte sie auf die Matte zwischen Tür und Medikamentenschrank und rubbelte sich mit einem Handtuch das nasse Haar trocken, als er Reifen auf dem vorderen Parkplatz knirschen hörte. Ein Motor verharrte im Leerlauf, und eine Autotür wurde geöffnet und wieder zugeschlagen. Im selben Moment sprangen die Zeiger der Wanduhr auf die Zehn.
»Aua, aua!« Cockoo, der auf einer Stange in der Ecke der Praxis saß, stellte neugierig den weißen Kamm auf. Seine Krallen klackerten, als er aufgeregt hin- und hertrappelte.
»Klappe, wir kriegen Kundschaft.« Uwe öffnete die Eingangstür.
Vor ihm stand Günther Assmann, ein Taxi fuhr gerade vom Praxisparkplatz. Regen tropfte Günther vom Vordach in den Kragen.
»Du?«
»Wo ist Rebecca?«
Uwe starrte ihn an. Günthers Augen waren gerötet, durch die Reste von Theater-Make-up wuchsen Bartstoppeln, und seine Kleidung war fleckig und zerknittert. »Spinnst du?«
»Wir waren verabredet. Hast du sie noch rechtzeitig weggeschafft?«
»Ich weiß nichts von einer Verabredung.« Uwes Hand krampfte sich um die Türklinke.
»Willst du mich nicht hereinbitten?«
»Was soll das, Günther?«
»Du hast einfach den Hörer aufgelegt.«
»Wir haben uns nichts zu sagen. Und ich habe keine Ahnung, wo deine Tochter ist.«
Günther trat einen Schritt auf ihn zu. »Marius ist tot.«
Uwe ließ
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