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Zeit deines Lebens

Titel: Zeit deines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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bloß noch schnell warm machen. Und ich hab den Apfelkuchen gekauft, den du so magst.«
    »Ich hab schon gegessen«, sagte er, faltete den Brief wieder zusammen und zerriss ihn in kleine Stücke. Ein paar Schnipsel landeten auf dem Boden. Entweder war es das Rascheln, mit dem das Papier den Marmorboden berührte, oder das, was er gesagt hatte, auf alle Fälle blieb Ruth abrupt stehen.
    »Ich heb das blöde Papier schon auf«, sagte Lou ärgerlich.
    Doch sie drehte sich langsam um und fragte leise: »Wo hast du gegessen?«
    »Bei Shanahans. Rib-eye Steak. Ich bin satt.« Gedankenverloren rieb er sich den Bauch.
    »Mit wem?«
    »Kollegen.«
    »Mit welchen Kollegen?«
    »Ist das vielleicht die spanische Inquisition?«
    »Nein, bloß deine Frau, die gern wissen möchte, mit wem ihr Mann zu Abend gegessen hat.«
    »Mit ein paar Typen aus dem Büro. Du kennst sie nicht.«
    »Das hättest du mir ruhig sagen können.«
    »Es war geschäftlich. Keine Ehefrauen anwesend.«
    »Das hab ich auch nicht gemeint – ich hätte es nur gern gewusst, denn dann hätte ich mir nicht die Mühe gemacht, extra für dich zu kochen.«
    »Himmel, Ruth, tut mir echt leid, dass du gekocht und den blöden Kuchen gekauft hast«, explodierte er.
    »Schschsch«, sagte sie wieder, schloss die Augen und hoffte inständig, dass Lous laute Stimme das Baby nicht geweckt hatte.
    »Nein, ich lass mir den Mund nicht verbieten«, brüllte er unbeirrt weiter. »Okay?« Wütend stapfte er in den Salon. Seine Schuhe ließ er mitten in der Halle stehen, passend zu den auf dem Flurtisch verstreuten Briefen und Umschlägen.
    Ruth atmete ein weiteres Mal tief durch, wandte sich von der Unordnung ab und verschwand im entgegengesetzten Teil des Hauses.
     
    Als Lou sich wieder zu seiner Frau gesellte, saß sie in der Küche und aß Lasagne und Salat. Vor ihr wartete der Kuchen. Dazu sah sie sich auf dem großen Plasmafernseher, der in dem direkt angeschlossenen informellen Wohnzimmer stand, an, wie Frauen in Fitnessklamotten in der Gegend herumhüpften.
    »Ich dachte, du hast schon mit den Kindern gegessen«, bemerkte er, nachdem er eine Weile zugeschaut hatte.
    »Hab ich auch«, antwortete sie mit vollem Mund.
    »Warum isst du dann noch mal?« Er sah auf seine Uhr. »Es ist fast elf. Ein bisschen spät zum Essen, findest du nicht?«
    »Du isst doch auch um diese Zeit«, erwiderte sie stirnrunzelnd.
    »Ja, aber ich beklage mich nicht erst, dass ich fett bin, und esse dann zweimal zu Abend, mit Kuchen zum Nachtisch«, lachte er.
    Mühsam schluckte sie den Bissen hinunter, den sie gerade im Mund hatte. Er fühlte sich an wie ein Stein. Lou hatte {97 } nicht gemerkt, was er sagte, er wollte sie nicht absichtlich verletzen. Er wollte sie nie verletzen, er tat es einfach. Nach einer langen Stille, in der Ruths Wut sich allmählich legte und sie wieder Appetit bekam, setzte sich Lou neben sie an den Küchentisch. Von draußen klammerte sich die Dunkelheit an die kalten Fensterscheiben und brannte darauf, ins Haus einzudringen. Dahinter waren die Millionen Lichter der Stadt auf der anderen Seite der Bucht, wie Weihnachtslichter, die aus der Finsternis herabbaumelten.
    »Der Tag heute war seltsam«, sagte Lou schließlich.
    »Warum?«
    »Keine Ahnung«, seufzte er. »Ich hab mich irgendwie komisch gefühlt. Einfach komisch.«
    »So fühle ich mich fast jeden Tag«, entgegnete Ruth und lächelte.
    »Wahrscheinlich hab ich mir irgendwas eingefangen. Ich fühle mich … irgendwie daneben.«
    Ruth legte die Hand auf seine Stirn. »Du fühlst dich aber nicht heiß an.«
    »Wirklich nicht?« Er sah sie überrascht an und überprüfte ihre Feststellung dann selbst. »Ich fühle mich aber so. Bestimmt liegt es an diesem Kerl. Diesem Typen bei der Arbeit.« Er schüttelte den Kopf. »Echt sonderbar.«
    Mit gerunzelter Stirn musterte Ruth ihn. Sie war es nicht gewohnt, dass ihr Mann um Worte verlegen war.
    »Dabei fing alles ganz gut an.« Er schwenkte den Wein in seinem Glas herum. »Vor dem Büro habe ich einen Mann namens Gabe getroffen. Ein Obdachloser – na ja, eigentlich weiß ich gar nicht, ob er wirklich obdachlos ist, er sagt, er hat einen Platz zum Wohnen. Aber er hat trotzdem auf der Straße gebettelt.«
    In diesem Moment knisterte das Babyfon, und Pud {98 } begann leise zu weinen. Zuerst war es nur ein schläfriges Jammern. Ruth legte Messer und Gabel beiseite, schob den noch halbvollen Teller von sich und betete, dass er von alleine wieder aufhörte.
    »Jedenfalls«,

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