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Zeit deines Lebens

Titel: Zeit deines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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fuhr Lou fort, ohne etwas zu bemerken, »jedenfalls hab ich ihm einen Kaffee gekauft, und wir sind ins Gespräch gekommen.«
    »Das war nett von dir.« Inzwischen blendete der Mutterinstinkt alles andere aus, und Ruth hörte nur noch die Stimme ihres Kindes, dessen verschlafenes Wimmern sich Stück für Stück zu einem ausgewachsenen Geschrei steigerte.
    »Er hat mich an mich erinnert«, erzählte Lou verwirrt weiter. »Er war genau wie ich, und wir hatten ein total komisches Gespräch über Schuhe.« Er lachte, als er daran dachte. »Er konnte sich an jedes einzelne Paar Schuhe erinnern, das in das Gebäude gegangen ist, und da hab ich ihm einen Job gegeben. Na ja, genau genommen nicht ich, ich hab nur Harry angerufen … «
    »Lou, Schatz«, fiel sie ihm ins Wort, »hörst du das denn nicht?«
    Er sah sie verständnislos an, irritiert, weil sie ihn unterbrochen hatte. Aber dann legte er den Kopf schief, lauschte, und nun drang das Weinen doch zu ihm durch.
    »Schon gut, geh ruhig«, seufzte er und massierte sich die Nasenwurzel. »Vorausgesetzt, du vergisst nicht, dass ich dir von meinem Tag erzählt habe. Sonst machst du mir doch ständig Vorwürfe, weil ich es angeblich nie tue«, murmelte er.
    »Was soll denn das nun wieder heißen?«, fragte sie mit erhobener Stimme. »Dein Sohn weint. Soll ich vielleicht die ganze Nacht hier sitzen und warten, bis du deine Geschichte {99 } von einem Obdachlosen, der Schuhe mag, fertig erzählt hast, während unser Sohn um Hilfe ruft? Oder würdest du möglicherweise auch mal selbst nach ihm sehen? Was meinst du?«
    »Gut, ich gehe«, sagte er, aber ohne sich von seinem Stuhl zu rühren.
    »Nein, lass nur, ich mach das schon.« Sie stand auf. »Ich möchte, dass du so was tust, ohne dass ich dich daran erinnern muss. Nicht, um Gummipunkte zu sammeln, Lou, du solltest es
wollen

    »Du scheinst aber auch nicht grade scharf darauf zu sein«, grummelte er und fummelte an seinen Manschettenknöpfen herum.
    Auf halbem Weg zur Tür blieb sie stehen. »Weißt du eigentlich, dass du noch keinen einzigen Tag alleine mit Ross verbracht hast?«
    »Du benutzt ja auf einmal seinen richtigen Namen, da muss es dir wohl ernst sein. Was soll das alles denn plötzlich?«
    Jetzt gab es für Ruth kein Halten mehr, und der ganze Frust machte sich Luft. »Du hast ihn nicht gewickelt, du hast ihn nicht gefüttert.«
    »O doch, ich hab ihn gefüttert.«
    Das Weinen wurde lauter.
    »Du hast kein Fläschchen zubereitet, keinen Brei, hast ihn nie angezogen, nie mit ihm gespielt. Du machst überhaupt nie was mit ihm allein, es sei denn, ich bin in der Nähe und komme alle fünf Minuten angerannt, damit du eine wichtige Mail schicken oder einen Anruf annehmen kannst. Unser Kind ist jetzt schon über ein Jahr auf der Welt, Lou. Über ein
Jahr

    »Warte mal.« Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare, {100 } zog ein Büschel nach oben und schloss die Faust darum, bei ihm immer ein sicheres Zeichen, dass er wütend war. »Ich habe dir doch grade noch erzählt, wie mein Tag bei der Arbeit war, was dich doch sonst immer so brennend interessiert – wie kommt es, dass du plötzlich zum Angriff übergehst?«
    »Du warst so damit beschäftigt, über
dich
zu reden, dass du nicht mal deinen eigenen Sohn weinen gehört hast«, stellte sie müde fest, und sie wusste, dass dieses Gespräch genau dorthin führen würde, wohin jeder derartige Streit sie bisher geführt hatte. Nämlich nirgendwohin.
    Lou schaute sich im Zimmer um und streckte mit einer dramatischen Geste die Arme aus. »Glaubst du vielleicht, ich sitze den ganzen Tag an meinem Schreibtisch und drehe Däumchen? Nein, ich gebe mein Bestes und versuche, alles so hinzukriegen, dass ich dir und den Kindern das hier ermöglichen kann und Ross tatsächlich etwas zu essen hat, also entschuldige bitte, wenn ich ihm nicht jeden Morgen persönlich die zerdrückten Bananen in den Mund stopfe. Ich muss schon mit genug anderen Dingen jonglieren.«
    »Du jonglierst mit überhaupt nichts, Lou. Du entscheidest dich für das eine und lässt das andere einfach sausen. Das ist etwas anderes.«
    »Ich kann nicht an zwei Orten gleichzeitig sein, Ruth! Wenn du Hilfe brauchst hier im Haus, dann sag es, und wir holen uns eine Kinderfrau, wann immer du willst.«
    Ihm war bewusst, dass er sich jetzt auf einen noch größeren Streit eingelassen hatte, und während Puds Heulen im Babyfon immer lauter wurde, bereitete er sich auf die unausweichlichen Attacken vor. Um dem ersten,

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